01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
Verärgert mehr über sich selbst als über den Mann an ihrer Seite, konzentrierte sie sich nun entschlossen auf ihr Gegenüber. »Ja, Lord Adler, ich habe durchaus Sinn für Humor, aber ich gestehe, dass ich es überhaupt nicht amüsant finde, wenn man in sämtlichen Salons über mich redet. Im Übrigen verstehe ich nicht, wie Sie diese Gespräche mit meiner Person in Verbindung bringen können, wo ich Ihnen doch noch nicht einmal meinen Namen verraten habe.«
»Intelligent und humorvoll - da sollte ich besser auf der Hut sein!« Als Lord Adler Angelicas hochgezogene Braue sah, musste er lachen. »Haben Sie das vor dem Spiegel geübt? Das müssen Sie mir beibringen. Nicht viele schaffen das, so ohne eine Miene zu verziehen.«
Angelica gab sich geschlagen und lächelte. Seine gute Laune war ansteckend.
»Das ist doch gleich viel besser, nicht?«
»Ja, ist es. Ich lächle gern - wenn ich nicht muss.«
»Und bei so langweiligen Anlässen wie diesen muss man meist, obwohl man nicht will, stimmt’s?« Er wies mit einem Nicken auf das Getümmel jenseits der Topfpflanze.
Angelica merkte, dass hier offenbar ein Geistesverwandter vor ihr stand, und sie erwärmte sich zusehends für ihn. »Und was machen Sie dann hier, Lord Adler?«
»Ach, bitte nennen Sie mich Nicholas. Ich möchte schließlich Angelica zu Ihnen sagen.«
Angelica lachte laut und schlug dann die Hand vor den Mund. Sie wollte schließlich nicht entdeckt werden; nicht noch mal zumindest.
»Was tun Sie hier, Nicholas, und woher wissen Sie, wer ich bin?«
Nicholas zuckte mit den Schultern. »Sie haben mich ja nicht gefragt, was man sich in den Salons über Sie erzählt. Blauschwarzes Haar, seelenvolle dunkelblaue Augen, und im ganzen Saal gibt es nur eine einzige Frau, bei deren Anblick es mir den Atem verschlagen hat. Alle drei Charakteristika zusammengenommen, kamen nur Sie in Frage; es gab also keinerlei Zweifel bezüglich Ihrer Identität.«
»Sie sind ein Schlitzohr!«
»Wohl kaum. Leider muss ich diesen sicheren Hafen nun verlassen, sonst entdeckt uns mein Onkel noch, und dann lässt er mir keine Ruhe, bis ich Sie geheiratet habe.«
Angelica lachte. Sie hatte nichts dagegen, dass er ihre Hand nahm. »Dann gehen Sie jetzt wohl besser. Sonst stößt nämlich auch noch meine Tante dazu, und dann gibt es überhaupt keine Rettung mehr für Sie.«
Er drehte ihre Hand um und drückte einen Kuss auf ihre Handfläche. Dabei wurde er plötzlich ernst, und er wirkte wie ein ganz anderer Mensch.
»Ich glaube nicht, dass ich gerettet werden möchte. Auf bald, Angelica.«
Angelica zog ihre Hand zurück und blickte ihm nach. Mit einem Schlag war ihr Misstrauen erwacht. Er war einfach zu gut, um wahr zu sein: charmant, amüsant, ein wenig unorthodox, aber sehr sympathisch. Einfach perfekt.
Aber sie wusste selbst, wie oft der Anschein trog.
Sie holte tief Luft und schalt sich für ihr Misstrauen. Da hatte sie eben einen potenziellen Heiratskandidaten getroffen; jetzt musste sie nur noch herausfinden, ob er reich war, was seine makellose Erscheinung vermuten ließ. Dann käme er eindeutig in Frage. Gott, wie kalt und berechnend solche Überlegungen waren! Aber was blieb ihr anderes übrig? In fünf Monaten musste sie verheiratet sein.
Dieser Gedanke machte sie sogleich wieder nervös, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, drang der Gedankenlärm der Ballgäste wieder auf sie ein. Beruhige dich, du musst dich beruhigen , ermahnte sie sich.
»Ich muss hier weg«, murmelte sie und kam hinter ihrer Pflanze hervor. Ihre Tante würde sich wahrscheinlich noch immer mit ihrer Bekannten unterhalten, aber Mikhail suchte sie vielleicht schon und machte sich Sorgen um sie.
Sie schaute sich um. Da war er wieder! Gefährlich !, schien ihr Instinkt ihr zuzurufen. Geh vorbei, schau nicht in seine Richtung .
Wieder nichts! Verdammt, wir müssen ihn finden, bevor er noch mehr Leute umbringt.
Sie blieb erschrocken stehen. Bevor er noch mehr Leute umbringt? Wer denkt denn so etwas?
Wer bist du?
Angelica zuckte zusammen. Die zornige Stimme schnitt wie ein Messer in ihre Gedanken. Ein kalter Schauder überlief sie, und langsam drehte sie sich um.
Er schaute sie direkt an, seine harten Augen wanderten langsam über ihr gerötetes Gesicht und musterten sie, Zoll für Zoll. Die Macht, die er ausstrahlte, war so stark, dass man meinte, sie mit Händen berühren zu können.
Sie stand vollkommen reglos, unfähig, auch nur einen Schritt zu machen. Das konnte
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