01 - Wie Feuer im Blut
... aber etwas stimmte
nicht mit ihr.
Zunächst
hatte sie Damiens Verhalten für ihre Beschwerden und ihre Lustlosigkeit
verantwortlich gemacht. An den Nachmittagen, wenn sie von ihren Parkrundfahrten
mit Philippe, Kate oder William zurückkam, warf sie sich aufs Bett, um zu
weinen.
»Das
ist verständlich«, hatte Kate voller Mitgefühl erklärt. »Du hast Heimweh und musst
dich erst an die Betriebsamkeit in London gewöhnen.«
Bonnie
war sich da nicht so sicher.
Es
klopfte an der Tür, und dann rief Ednas Stimme: »Sie haben Besuch, Miss Bonnie,
und Sie werden im Garten erwartet.«
»Danke.
ich komme gleich hinunter.«
Bonnie
blickte auf die Standuhr. Philippe wollte erst in einer Stunde kommen. Und
obwohl Bonnie inzwischen viele Leute in London kennengelernt hatte, konnte sie
sich nicht vorstellen, dass einer von ihnen sie hier besuchen würde. Niemand
außer ...
Sie
prüfte noch einmal ihr Aussehen im Spiegel und zog ihr Mieder straff.
»Dummes
Mädchen«, schalt sie sich laut. »Natürlich ist es nicht Damien. Warum sollte er
mich heute besuchen? Es sei denn, er ist inzwischen zur Vernunft gekommen und hat
beschlossen, sich für sein unmögliches Betragen zu entschuldigen.«
Sie hob
ihre Röcke an, lief zur Treppe und verlangsamte erst den Schritt, als sie im
Erdgeschoss war. Dann ging sie langsam durch den Wintergarten ins Freie. Es war
nicht Damien, und Bonnies Herz setzte einen Schlag aus, als sie die Frau in
dem purpurfarbenen Satinkleid sah. Das feuerrote Haar war fast gänzlich unter
einem breitkrempigen Hut verborgen.
»Hallo,
Bonnie.«
»Damien
ist nicht ...
hier«,
erwiderte Bonnie.
Marianne
ging auf Bonnie zu. Sie hatte ein in Papier eingewickeltes Päckchen in der
Hand. »Ich bin nicht gekommen, um Damien zu besuchen.«
»Oh.«
Bonnie blinzelte verwirrt. »Sind Sie vielleicht ge kommen, um mich von Ihrer
bevorstehenden Vermählung mit Warwick zu informieren?«
»Vermählung?«
Marianne lachte. »0 nein. Hat Damien dir nicht gesagt, dass ich bereits
verheiratet bin?«
»Dann
sind wohl Glückwünsche angebracht.«
»Sie
kämen in meinem Fall um zehn Jahre zu spät, fürchte ich.«
Bonnie
sah sie stirnrunzelnd an.
Marianne
führte Bonnie zu einem Stuhl. »Setz dich, mein Kind. Du siehst zwar bezaubernd
aus, aber du wirkst auch ein bisschen leidend. Fehlt dir etwas? Ich wollte dich
nicht erschrecken. Willst du dass ich wieder gehe?«
»Vielleicht.
Aber zuerst würde ich gern wissen.. was Sie herführt. Wollen Sie mit Kate
sprechen?«
»Ich
will dich besuchen.« Marianne nahm Platz und legte das Päckchen auf den Tisch.
»Ich bin vor ein paar Tagen nach London zurückgekommen, und Freunde haben mir
erzählt, dass du hier bist.« Lächelnd deutete sie auf das Päckchen. »Mach es
auf.«
Bonnie
löste vorsichtig die Schleife, schlug dann das Geschenkpapier auseinander und
hielt ein Buch mit dem Titel »Die Etikette der Guten Gesellschaft« in den
Händen.
»Alles,
was eine junge Frau wissen sollte, steht in diesem Buch«, erklärte Marianne.
Sie
ignorierte Bonnies mangelnde Begeisterung über das Geschenk und fragte:
»Gefällt es dir in London?«
»Nicht
besonders.«
Lächelnd
zog Marianne ihre Handschuhe aus und warf sie zusammen mit ihrem Ridikül auf
einen Stuhl. »Unternimmst du viel?«
»William
und Kate haben mich zweimal ins Theater geführt. Das hat mir sehr gefallen.
Und jeden zweiten Tag fahre ich mit Philippe Fitzpatrick im Park aus. Das ist
auch sehr nett.«
»Philippe
ist charmant. Magst du ihn?«
»Natürlich.
Ich würde wohl kaum mit ihm ausfahren, wenn ich ihn nicht mögen würde.«
»Was
für eine dumme Frage«, sagte Marianne und schlug die Beine übereinander. »Wie
geht es Damien?«
»Ich
weiß es nicht. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er mich hergebracht hat.«
Als es Bonnie bewußt wurde, dass sie sich ihre Enttäuschung zu sehr anmerken
ließ, holte sie tief Luft. »Er hat viel im Parlament zu tun, sagt Kate.«
»Ich
hab' davon gehört. Ein paar Vertreter dort machen ihm das Leben sauer, weil sie
nichts von diesem schrecklichen Krieg wissen wollen ... Bonnie, wenn dich
mein Besuch zu sehr aufregt . . .«
»Nein.«
Bonnie schloss die Augen und versuchte die Tränen, zurückzuhalten. »Es wäre
mir ganz lieb, wenn ich mich ein bisschen unterhalten könnte. Die Tage sind oft
sehr lang, und Kate ist ziemlich beschäftigt. William verbringt die meiste
Zeit mit Damien im Parlament.«
»Aber
London ist doch eine so großartige Stadt, in der du dir die
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