01 - Wie Feuer im Blut
angeordnet hatte, ihr diese fade
Lammbrühe vorzusetzen. Wahrscheinlich verfütterte er sie sonst an seine
verdammten Schweine.
Bonnie
schickte Jewel, die mit angehobenen Röcken und verrutschtem Häubchen an die Tür
geflüchtet war, einen wütenden Blick nach und rief: »Essen! Ich hungere mich
hier zu Tode, und Sie setzen mir Schafpisse vor!«
»Aber
Seine Lordschaft ... «
»Seine
Lordschaft soll sich meinetwegen in Buttermilch ersäufen! Entweder bekomme ich
etwas Ordentliches zu essen, oder Seine Lordschaft kann mich mal ... « Sie gab
sich nicht die Mühe, den Satz zu beenden, sondern legte sich in die Kissen
zurück. »Angekommen«, murmelte sie und lächelte ein bisschen über ihre
Dreistigkeit, als Jewel aus dem Zimmer hastete. Wenn man sich erfolgreich mit
der Aristokratie auseinandersetzen wollte, musste man schon laut werden, um
sich Gehör zu verschaffen.
Nach
zehn Minuten kam Jewel mit einem Tablett wieder. Bonnie starrte ungläubig auf
die Schüssel mit Lammsuppe. Aber als sie danach griff, um sie wieder zu Boden
zu schleudern, sagte Jewel: »Das würde ich nicht tun, wenn ich du wäre.« Ihre
schwarzen Knopfaugen weiteten sich, als Bonnie zu ihr aufsah. Sie wich einen
Schritt zurück und räusperte sich. »Seine Lordschaft meinte, dass du dir die
Brühe schmecken lassen sollst - Schafpisse oder nicht Schafpiss. Und wenn
du sie noch einmal an die Wand wirfst, musst du entweder hungern oder Seine
Lordschaft wird persönlich dafür sorgen, dass dir jeder Tropfen - äh -
Schafpisse, den er in Yorkshire auftreiben kann, mit dem Löffel eingeflößt
wird.«
»Das
hat er gesagt?«
»Ja.«
»Glauben
Sie, dass er auch meinte, was er sagte?«
Jewels
Kopf hüpfte auf und nieder. »Sei ein gutes Kind und iss das auf. Es kann doch
nicht schlimmer sein als das, was ihr in Caldbergh bekommen habt, wenn du mir
diese Bemerkung gestattest.«
»Aber
ich bin hier nicht in Caldbergh«, erwiderte Bonnie. »Und ich wette, dass sich
diese verdammten Bastarde dort unten in diesem Augenblick die Bäuche mit
Roastbeef und Yorkshire-Pudding vollschlagen.«
Jewel
stellte das Tablett beiseite und rang verlegen die Hände. »Mit Verlaub -
Seine Lordschaft ist in letzter Zeit nicht in bester Laune. Also sei ein braves
Mädchen und trink deine Brühe. Ich werde mein Möglichstes tun, dir morgen früh
etwas Herzhafteres zu bringen. Seine Lordschaft ist der Meinung, dass du besser
dran wärst, wenn du etwas weniger ... «
»Herzhaftes?«
»Ja«,
Jewel nickte, »nicht eine so schwere Kost bekämst. So ungefähr.«
Bonnie
starrte wieder die Suppe an. Sie roch nicht einmal unappetitlich und vielleicht
genügte sie, bis Bonnie einen Weg fand, sich eine etwas »herzhaftere« Nahrung
zu besorgen. Sie betrachtete eine Sekunde lang nachdenklich den Löffel auf dem
Tablett, hob dann die Schüssel an den Mund, trank sie in einem Zug aus und
wischte sich dann den Mund mit dem Ärmel ihres Nachthemds ab. Dann starrte sie die
staunende Dienstmagd durchbohrend an und sagte: »Sie können Ihrem verdammten
Lord ausrichten, dass ich mich für seine fürsorglichen Worte bedanke.«
Ohne
ihr Antwort zu geben, nahm Jewel das Tablett und verließ das Zimmer.
Bonnie
legte sich in die Kissen zurück. Die Suppe hatte sogar gut geschmeckt, aber
sie hatte ihren Appetit noch mehr angeregt, statt ihn zu stillen.
Sie
starrte an die Decke und hoffte, dass der Schlaf sie erlösen würde.
Gelegentlich drang Gelächter aus dem Esszimmer zu ihr herauf und zuweilen der
Duft von Roastbeef und Yorkshire-Pudding, von gerösteten Kartoffel und
grünen Erbsen.
Endlich
döste sie ein. Eine Stunde später wachte sie auf, in kalten Schweiß gebadet und
mit dem Gefühl, spätestens in fünf Minuten sterben zu müssen, wenn sie nicht
noch etwas zu essen bekam. Sie überlegte, ob sie Jewel rufen sollte; beschloss
dann aber, es nicht zu tun, weil die Magd zu sehr die Allmacht Seiner
Lordschaft zu fürchten schien.
Nun,
dachte Bonnie, es wäre ja nicht das erste Mal, dass ich gezwungen bin, etwas zu
stehlen, um Überleben zu können.
Sie
verließ also zum zweiten Mal ihr Bett. Da sie nun wußte, dass ihre Beine schon
kräftig genug waren für einen kurzen Ausflug, schlich sie aus dem Zimmer und
den Korridor entlang. Auf der Treppe hatte sie dann doch einige Bedenken. Es
war eine sehr lange und ziemlich steile Treppe, und sie fragte sich, was sie
tun sollte, wenn sie am Fluss der Treppe plötzlich grüne blitzende Augen auf
sich gerichtet sah. Die Vorstellung, dass
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