01 - Wie Feuer im Blut
ihr Gastgeber dort unten am Pfosten
der Treppe lehnte, das Gesicht im Schatten, und es dann ins Licht hob, so dass
sie ... was darauf lesen konnte? Eine Drohung? Empörung? Verwirrung? Den
Schock, sie noch einmal hier zu sehen! Dieser Gedanke machte sie schwindelig
und zwang sie, das Geländer noch fester zu umklammern.
Der
Zorn dieses Mannes wäre bestimmt schrecklich, dachte sie bei sich. Er war
bestimmt so kaltherzig wie eine verdammte Forelle - jeder Mann, der eine
hungrige Waise zwang, Lammbrühe zu trinken, musste ein Herz aus Stein haben -
und wahrscheinlich ließ er sie in Gefängnis werfen, weil sie ihm einen Krümel
von seinem stinkenden Pudding stehlen wollte. Oh, sie kannte diese
Aristokraten. Sie betrachteten sich als Auserwählte und behandelten die kleinen
Leute wie Vieh.
Sie
bewegte sich unsicher von einer Stufe zur anderen und erwartete jeden Moment,
von Jewel oder einem anderen Dienstboten entdeckt zu werden. Aber sie hatte
Glück. Niemand kam in die Vorhalle, als sie unsicher am Fuß der Treppe ankam.
Vom
Hunger vorangetrieben, ging sie auf Zehenspitzen zur nächsten Tür. Sie schielte
um den Türpfosten herum und sah vor sich einen zweiten langen Flur, spähte kurz
um sich und folgte dann den verlockenden Speisedüften, die ihr das Wasser im
Mund zusammenlaufen ließen.
Endlich!
Bonnie stand unter der mächtigen Doppeltür des Speisezimmers, starrte auf den
Tisch, an dem zwanzig Personen bequem Platz fanden, dann zu der Anrichte, auf
der silberne Schüsseln und Platten mit noch leise dampfenden Speisen standen.
Sie stand eine volle Minute dort, bevor sie merkte, dass ihr die Tränen über
die Wangen rannen. Jede Strafe, die sie jemals für einen Diebstahl bekommen
hatte, zog wie der Blitz an ihrem inneren Auge vorüber, und sie überlegte -
überlegte ernsthaft -, ob sie nicht dieser köstlich duftenden Versuchung
widerstehen sollte. Aber dann stürzte sie sich auf die Schüssel mit den grünen
Erbsen wie ein Jagdhund auf einen Hasen.
Sie
hatte gerade eine Handvoll grüner Erbsen hinuntergeschlungen, als sie hinter
sich eine leicht trunkene Stimme sagen hörte: »Hallo, was ist denn das?«
Bonnie
fuhr zusammen und wirbelte mit einer Schnelligkeit herum, die sie selbst
überraschte. Dabei riss sie ein schweres silbernes Messer vom Tisch. Sie
funkelte den grinsenden goldhaarigen Eindringling böse an und erklärte: »Wenn
Sie noch einen Schritt näher kommen, Sie hinterlistiger Bastard, schlitze ich
Sie vom Hals bis zum Bauch auf.«
»Tatsächlich?«
erwiderte er. »Mit einem Buttermesser?«
Sie sah
auf das Messer mit der abgerundeten stumpfen Klinge hinunter.
»Ich
würde dafür das Fleischmesser empfehlen«, fuhr der Mann mit einem Zwinkern
seiner blauen..Augen fort. »Das würde mich zweifellos davon abschrecken, auch
nur meinen, Zeh über die Schwelle zu schieben. Soll ich so lange warten, bis du
dir das Messer geholt hast?«
Bonnie
bewegte sich nun vorsichtig auf das gefährlich aussehende Tranchiermesser zu,
das neben der größten Silberplatte auf einem Brett lag. Doch dann fiel ihr
Blick auf das saftige Roastbeef, und ihr Magen krampfte sich in diesem Moment
so heftig zusammen, dass sie fast in Ohnmacht fiel.
Der
Fremde, der sie im Speisezimmer überrascht hatte, räusperte sich. Bonnie drehte
sich um. Er lehnte mit der Schulter am Türrahmen und lächelte sie freundlich
an.
»Ich
wage zu behaupten, dass wir uns bisher noch nicht begegnet sind«, sagte er.
»Mein Name ist Philipp Fitzpatrick. Und du musst ... sag es mir nicht, lass
mich raten.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger nachdenklich an die Unterlippe.
»Ah, beim Zeus, ich habe es! Du bist dieses kleine Persönchen - oder
sagte er, diese kleine Göre ...? Ja, ich bin sicher, es war eine drastische
Bezeichnung. Wie geht es dir, Miss Göre?«
Bonnies
Augen wurden schmal. Ihre Unterlippe begann zu zittern.
Philippe
hörte auf zu lächeln. »Himmel, ich vermute, das war nicht gerade eine nette
Begrüßung, wenn ich es mir genauer überlege. Ich wollte mich nur über den alten
Damien lustig machen. Er hat uns von dir erzählt ... wie heißt du nun wirklich?«
Sie
antwortete nicht, drehte Philippe Fitzpatrick wieder den Rücken zu und starrte
auf das Roastbeef, während Tränen ihre Augen füllten. Sie wischte sich die Nase
mit dem Handrücken ab.
»Was
suchst du hier eigentlich?« kam die Stimme wieder von der Tür her, aber diesmal
freundlicher, ohne sarkastische Untertöne.
»Was,
zum Kuckuck, sucht man wohl in einem
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