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01 - Wie Feuer im Blut

01 - Wie Feuer im Blut

Titel: 01 - Wie Feuer im Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Sutcliffe
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die sich so
freute, obwohl ein halbes Dutzend andere Mädchen keine Schuhe hatten.
Zweiundzwanzig Gesichter mit großen hungrigen Augen hatten sich ihr zugedreht.
Doch keines der Mädchen hatte etwas gesagt. Nicht ein Wort, weil sie bereits
wussten, was Bonnie bald genug herausfinden sollte.
    Die
Schuhe gehörten Helen Brown.
    Und
Helen Brown war tot.
    Es wäre
vielleicht nicht so schlimm gewesen, wenn Smythe Bonnie die Schuhe einfach in
die Hand gedrückt und gesagt hätte: »Freu dich daran, du kleines Biest.« Aber
das war nicht Smythes Art. Er hatte sie dazu gezwungen, zu Helens Leiche zu
gehen und ihr die Schuhe auszuziehen. Sie hatte fast eine halbe Stunde
gebraucht, um den Mut dafür aufzubringen, und das war, wie sich Bonnie
erinnerte, ihr letzter Kampf mit ihrem Gewissen gewesen. Als sie dann die
Schuhe über ihre eigenen Füße streifte, hatte sie mit Entsetzen bemerkt, dass
sie noch warm waren. Sie hatte sich, wie vom Teufel gehetzt, auf den Hof
geflüchtet und sich dort übergeben - aber nicht Yorkshire-Pudding
und Roastbeef; sondern Galle und den Ekel vor sich selbst. Aber sie hatte die
Schuhe behalten, zuweilen auch um sie gekämpft - das war sie Helen Brown
schuldig gewesen. Von da an legten sich die Kinder im Arbeitshaus nur noch
selten mit Bonnie an. Sie hatten Angst vor ihr - zu Recht, nach Bonnies
Ansicht.
    Sie
fühlte sich jetzt entschieden kräftiger. Ihr Fieber war gesunken, ihre Haut
fühlte sich kühl an, obwohl ihre Lungen beim Atmen noch immer schmerzten. Sie
langweilte sich, was ein eindeutiger Beweis dafür war, dass es ihr besser ging.
Vielleicht sollte sie sich im Haus umsehen und die Möglichkeiten für
zukünftige gewinnbringende Streifzüge erkunden. Sie konnte sich die Sachen
aussuchen, die sie stehlen konnte, bevor sie Seiner allmächtigen Lordschaft ein
freundliches Lebewohl sagte.
    Bonnie
suchte ihre Kleider, aber sie waren nicht da.
    Sie
verließ das Zimmer und schlich vorsichtig den Korridor entlang bis zur
Galerie. In der Halle herrschte eine ungewöhnliche Betriebsamkeit -
Diener huschten hin und her; einige putzten Silber, andere wieder lagen auf den
Knien und schrubbten den Marmorboden. Es war ermüdend, ihnen dabei
zuzuschauen; also machte Bonnie kehrt und erkundete den Flur in der
entgegengesetzten Richtung.
    Sie war
schon ein gutes Stück gegangen, als sie ein Lachen hörte. Seines und ihres. Sie
erstarrte. Das Bild der beiden - wie sie sich umarmt hatten - stand
ihr noch deutlich vor Augen. Sie hatte Damien eine Weile beobachtet, als er
noch allein in ihrem Zimmer hin und her gelaufen war wie eine eingesperrte
Katze. Sie hatte nur einen Blick auf sein Gesicht erhaschen wollen. Er hatte
etwas von einem Teufel an sich, das sie erschreckte und zugleich verblüffte. Er
passte so gar nicht zu dem Bild, das sie sich von Aristokraten gemacht hatte -
er war weder blass noch steif. Obwohl da jedes Mal ein Funken in seinen Augen
war, wenn er sie ansah, der zu besagen schien: >Hier bin ich - und ich
finde mich großartig<.
    Bonnie
runzelte die Stirn, als sie daran dachte, wie er an ihrem Bett gestanden und
ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte. Und kurz darauf war diese
Marianne hereingekommen und hatte alles verdorben. Bonnie hatte zusehen
müssen, wie sie ihn streichelte und küsste. Doch dann, als sein Mund sich auf
den ihren gesenkt hatte, hatte er zu ihr, Bonnie, herübergeschaut.
    »Die
ersten Gäste werden schon heute nachmittag eintreffen«, hörte sie die Frau,
die Marianne genannt wurde, sagen. »Es wird fast wieder so sein wie in alten
Zeiten. Alle unter einem Dach vereint. Wie herrlich.«
    Keine
Antwort. Dann: »Was ist das?«
    »Ich
wollte dir dein Geburtstagsgeschenk schon vorher geben.«
    »Ich
dachte, die Party wäre dein Geschenk.« Dann folgte das Rascheln von Papier,
darauf ein längeres Schweigen.
    »Gefällt
es dir?« fragte die Frau.
    »Ja.«
Das Wort klang fröhlich. Bonnie lächelte, als sie es hörte. »Es ist sehr
hübsch, Mari.«
    »Ich liebe
dich, weißt du das?«
    »Ich
weiß.«
    Als
Bonnie die Worte »ich liebe dich« hörte, machte sie jählings kehrt und begab
sich in ihr Zimmer zurück. Sie fragte sich, ob das Fieber zurückkam, weil ihr
Gesicht brannte wie Feuer und ihr Herz so rasch schlug, dass sie befürchtete,
ohnmächtig zu werden, bevor sie ihr Bett erreichte.
    Ich
liebe dich.
    Sie
hörte diese Worte immer wieder in ihrem Kopf, bis ein ihr unbegreiflicher Zorn
ihren Schwächeanfall verdrängte ... Zorn auf Seine Lordschaft, seine

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