01 - Wie Feuer im Blut
sich der Butler
leise zurück.
»Da
geht ein guter Mann«, sagte Richard Sitwell, mit dem Kopf zur Tür deutend. »Ich
wette, so eine Loyalität wirst du in Mississippi schwerlich finden.«
»Nein«,
erwiderte Damien leise, »wohl nicht.«
Sie
blickten in ihre Gläser und lauschten der fernen Musik. Endlich ließ sich
Richard in einen Queen-Anne-Sessel fallen, nippte an seinem Port
und blickte Damien offen ins Gesicht.
»Wenn
ich sage, dass ich erstaunt war, als ich deinen Brief erhielt, wäre das die
Untertreibung des Jahres.«
»Das
kann ich mir vorstellen.«
»Ehe
ich London verließ, hatte ich noch eine lange Unterredung mit Palmerston. Er
wird alles tun, was in seiner Macht steht, um das Parlament dazu zu bewegen,
dich anzuhören. Aber er ist nur einer unter vielen. In England ist dieser
Krieg, wie du weißt, sehr unpopulär, Damien. Die Engländer wollen nichts damit
zu tun haben.«
»Ich
vermute aber, dass sie es sicfi zweimal überlegen, wenn ihre Baumwollieferungen
in der Sonne verderben.« Damien ging zum Kamin und starrte in die Flammen. »Du
weißt, dass England fünf Sechstel der Südstaaten-Baumwollernte braucht.
Ohne diese Baumwolle werden sich rund vierhunderttausend englische
Textilarbeiter auf der Straße wiederfinden.«
Richard
schüttelte den Kopf. »Der Theorie nach scheint das ein guter Grund für eine
Beteiligung an diesem Krieg zu sein. Aber während du in Amerika warst, haben
sich die Verhältnisse hier grundlegend verändert. Der Londoner Econo mist
entrüstet sich nun schon seit über zwei Jahren über die Überproduktion von
Baumwollgarnen und Stoffen in England. Im letzten Jahr musste die Hälfte der
britischen Textilfabriken schließen, weil der Markt an Baumwollerzeugnissen
erstickte, und dazu gehörten auch eine Reihe unserer Fabriken. Selbst viele
französische Fabriken sind stillgelegt worden. Erst im vergangenen Monat
rechnete der Econo mist der Regierung vor, dass das Land einen Vorrat an
Baumwolle hat, der für drei Jahre reichen könnte. Tatsächlich sind die
Fabrikbesitzer in Lancashire gerade dabei, ihre Lagerhäuser zu räumen und die
Baumwolle nach Neuengland zurückzuverschiffen.«
Damien schloss
die Augen. »Was dem Süden nicht bei dem Versuch hilft, den Norden von allen
Baumwollieferungen abzuschneiden.« Noch wütender fügte er hinzu: »Und es wird
mir ganz bestimmt nicht helfen, wenn die Zeit für den Verkauf meiner
Baumwollernte kommt.«
»Nein«,
sagte Richard. »Das wird es nicht.« Sitwell musterte Damien ein paar Minuten
schweigend. Endlich sagte er: »Warum bist du so Hals über Kopf aus London abgereist?
Du hättest vielleicht mehr Erfolg haben können, wenn du selbst mit Palmerston
gesprochen hättest.«
»Ich
habe Verpflichtungen, Onkel. Braithwaite ... «
»Humbug!
Seit dem Tod deines Bruders hat sich niemand mehr um Braithwaite gekümmert.
Meinst du etwa, es hätte sich in den vierzehn Tagen, die du auf einen Vortrag
vor dem Parlament hättest warten müssen, in eine Ruine verwandelt?«
Als
Damien nichts darauf erwiderte, kräuselte Richard die Lippen und murmelte: »Ich
verstehe. Das hätte ich von dir nicht gedacht, Dame. Bisher war Feigheit noch
nie eine Eigenschaft der Warwicks gewesen.«
Damien
warf seinem Onkel einen wütenden Blick zu.
»Verzeih
mir, wenn ich alte Wunden aufgerissen habe. Ich wußte nicht, dass sie noch
schmerzen.«
»Das
tun sie nicht.«
»Nein?«
»Nein.«
»Dann
hatte also die Tatsache, dass Louisa in der Stadt war, als du in London
ankamst, nichts mit deiner überstürzten Abreise nach Braithwaite zu tun?«
»Absolut
nichts.« Damien goss sich einen zweiten Brandy ein, ehe er sich dem fragenden
Blick seines Onkels stellte. »Ich habe zwar mit einem bitter verletzten Stolz
England verlassen, aber mein Erfolg in Vicksburg hat mir zur Heilung
verholfen. Ich gebe wirklich nichts darauf, was die Peers von mir halten.«
Richard
studierte ihn noch einmal eindringlich, ehe er sagte: »Dann hast du die Sache
mit Louisa völlig überwunden?«
Damien
nahm einen Schluck aus seinem Schwenker. »Völlig.«
»Ist
auch nicht ein Hauch von Liebe zurückgeblieben?«
Damien
wandte sich ab.
»Vergiss
diese Schlampe und das, was sie dir angetan hat. Vergiss sie. Heirate und setze
dich zur ... «
»Um Himmels
willen, warum ist jeder so darauf erpicht, mich zu verheiraten? Man könnte
meinen, ich wäre der einzige Mann auf dieser Welt, der an seinem
dreiunddreißigsten Geburtstag nicht mit einem Weib und einem halben
Weitere Kostenlose Bücher