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010 - Die Bestie mit den Bluthänden

010 - Die Bestie mit den Bluthänden

Titel: 010 - Die Bestie mit den Bluthänden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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erhob sich plötzlich. Dr. Sandos
ließ sie gewähren. Schwester Rita verfolgte mit aufmerksamen Augen jede
Bewegung von Madame Feydeau.
    Auch Fernand Rekon konnte den Blick nicht von der zufriedenen jungen Frau
wenden, deren Geist jetzt in einer anderen Welt zu leben und zu atmen schien.
    »Sie sind siebenundzwanzig Jahre alt, Madame Feydeau.« Dr. Sandos' Stimme
klang ruhig und monoton. »Sie sind ein Jahr verheiratet – Sie haben die
Gegenwart vergessen. Sie wissen nicht, was in zehn Jahren sein wird. – Genießen
Sie Ihren Spaziergang!«
    Madame Feydeau, jetzt eine Frau von 37 Jahren, glaubte, zehn Jahre jünger
zu sein. Sie glaubte, über eine Wiese zu gehen, und ihre Gesten wiesen ganz
darauf hin, dass sie jemand begleitete, die sie offensichtlich untergehakt
hielt. Sie unterhielt sich mit ihm und lachte.
    »Und jetzt kommen Sie zu mir«, begann Dr. Sandos wieder. »Sie vergessen
alles, was Sie jetzt erleben. Sie wissen nicht mehr, dass Sie einmal Feydeau
heißen werden. Sie sind siebzehn Jahre alt, kommen Sie, Mireille.« Er streckte
beide Arme nach ihr aus und ging ihr einen Schritt entgegen. Der
Gesichtsausdruck der jungen Frau veränderte sich. Ein gewisser
jungmädchenhafter Ausdruck spiegelte sich darin. Ihre Augen wurden groß und
erstaunt. Sie schien irgendetwas Schönes zu sehen.
    Fernand Rekon hielt den Atem an. Auf seiner Stirn stand der Schweiß. Er
musste sich im Stillen eingestehen, dass er niemals zuvor Zeuge einer
derartigen Demonstration gewesen war.
    Dr. Sandos führte seine Patientin zum Bett. Mireille, wie er sie genannt
hatte, legte sich langsam zurück. »Erinnern Sie sich an diesen Tag. Was sehen
Sie?«
    Mit einer fast verführerischen Geste strich sie die langen, weichen Haare
in den Nacken zurück. »Ich habe heute Geburtstag, es ist der 18. Juni. Roger
ist da. Ich habe nur Augen für ihn.«
    »Du wirst jetzt noch weiter zurückgehen, Mireille. Du hattest eine
glückliche Kindheit. Erinnere dich an deinen sechsten Geburtstag, Mireille! Was
geschah da?«
    Jetzt führte er das Unterbewusstsein von Madame Feydeau in das sechste
Lebensjahr zurück. Er übersprang diesmal elf Jahre. Hatte das eine besondere
Bewandtnis? Mit wachen Augen und regen Sinnen verfolgte Fernand Rekon alles.
Nichts entging ihm.
    »Der herrliche Kaufladen.« Die Stimme von Mireille klang stark verändert.
Ein sechsjähriges Mädchen schien zu sprechen. Hell, freundlich und sympathisch
kamen die Worte über ihre Lippen. Der kindliche Ausdruck in ihren Augen, in
ihrer Miene, war nicht zu übersehen.
    »Einen so großen Kaufladen habe ich mir immer gewünscht.«
    Die letzten sechs Lebensjahre übersprang Dr. Sandos ziemlich rasch. Er
führte Mireille ein letztes Mal in das erste Lebensjahr zurück, ehe er mit
einem ruhigen, zwingenden Befehl die Tiefenhypnose einleitete. Das Bewusstsein
von Mireille Feydeau schwamm in diesen Sekunden im absoluten Nichts. Da war
nichts, was sie bedrückte, nichts, was sie empfand. Ein tiefer, erholsamer
Schlaf nahm sie gefangen.
    Sie hatte die Augen geschlossen. Tiefe, ruhige Atemzüge hoben und senkten
ihre straffe Brust. Ihr Gesicht trug einen Ausdruck der Ausgeglichenheit, der
Ruhe, der Zufriedenheit.
    Dr. Sandos tupfte sich mit einem weißen Taschentuch die schweißnasse Stirn
ab. Er kam auf Fernand Rekon zu. »Verstehen Sie, warum ich Sie Zeuge werden
ließ?«, fragte der Psychotherapeut matt.
    »Nein.«
    »Ganz einfach: Ich wollte Ihnen beweisen, wie viel ich von meinen Patienten
weiß. Ich kenne jedes Stadium ihres Lebens, jeden Lebensabschnitt, ich weiß,
was sie denken, fühlen und wie sie auf bestimmte Reize reagieren. Das
Bewusstsein der mir anvertrauten Menschen liegt vor mir wie ein aufgeschlagenes
Buch. Können Sie sich da vorstellen, dass mir ein psychopathischer Mörder
entgehen würde?«
    »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen«, antwortete Fernand Rekon. Und
das war seine ehrliche Überzeugung. »Das habe ich vorhin auch gar nicht behauptet,
als wir darüber sprachen. Sie haben mich da falsch verstanden, Doktor.
Vielleicht meinte ich es so: Sicher würden Sie mir eine solche Tatsache
verschweigen, um den Ruf Ihres Heims nicht zu ruinieren. Vielleicht aber wollen
Sie auch einen Fehler nicht einsehen. Ich werde mich darum bemühen, einen
Einblick in die Kartei Ihrer Patienten zu erhalten und jeden einzelnen unter
die Lupe nehmen. Wenn auch nur eine einzige faule Stelle darunter ist, werde
ich sie finden; das garantiere ich Ihnen, Doktor!«
    »Sie sind unverbesserlich,

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