010 - Die weiße Hexe
und wußte, zu welchen Gemeinheiten dieser Höllenbastard fähig war.
Er gehörte zur ersten Garnitur der schwarzen Macht. Man mußte ihn in einem Atemzug mit Rufus, dem Dämon mit den vielen Gesichtern, Phorkys, dem Vater der Ungeheuer, und Atax, der Seele des Teufels, dem Herrscher der Spiegelwelt, nennen.
Ein brandgefährlicher Bursche.
Wenn es uns gelang, ihn zu bezwingen, errangen wir einen großen Sieg.
Ich stieg die Treppe hoch.
Kampflärm im ersten Stock! Da nahm ich die Beine in die Hand und hetzte nach oben…
***
Auch Ian Ekenberry und Bruce Perkins vernahmen den Kampflärm. Sie schauten einander ratlos an. Odas Erregung wuchs. Natürlich dachten Ekenberry und Perkins sofort an die beiden Horrorgestalten von Death Stone. Befanden sie sich dort draußen auf dem Gang? Mit wem kämpften sie?
Ekenberry machte zwei Schritte auf die Tür zu.
»Ian!« preßte Perkins nervös hervor. »Was hast du vor?«
Ekenberry stoppte. Er wußte es nicht. Er hatte gar nicht den Mut, die Tür zu öffnen und nach dem rechten zu sehen. Er schluckte aufgeregt. Sein Adamsapfel hüpfte.
»Mein Gott, Bruce, was passiert dort draußen?«
»Wir gehen nicht raus, Ian! Wir bleiben hier. Mag passieren, was will, wir bleiben bei dem Mädchen und warten auf Tony Ballard. Er muß ja jeden Moment eintreffen.«
»Vielleicht ist er schon da. Vielleicht ist er es, der auf dem Gang…«
»Wir werden es früh genug erfahren.«
Die beiden verhinderten Schatzsucher warteten mit gespannten Mienen. Der Horrorstreß hatte sie noch nicht losgelassen. Auf eine Neuauflage der Angst wollten sie liebend gern verzichten.
Sie hofften sehr, daß es Tony Ballard war, der sich dort draußen mit jemandem herumschlug.
Odas Nervosität erreichte den Höhepunkt. Sie grub die Finger in ihr rotes Haar und blickte verstört zur Tür.
Und plötzlich entspannte sie sich. Die Furcht fiel von ihr ab. Sie ließ einen erleichterten Seufzer hören. Die Gefahr, die ihr gedroht hatte, schien nicht mehr zu existieren.
So war es auch. Claudia Clooney stand nicht mehr länger auf der Seite des Bösen, und das spürte die weiße Hexe. Der befreiende Atemzug war berechtigt.
***
Ich erreichte den ersten Stock und Mr. Silver verhalf einem hübschen Mädchen soeben auf die Beine, die sehr lang und sehr schön waren.
»Was ist passiert?« wollte ich wissen.
»Gleich«, sagte Mr. Silver und klopfte an die Tür, vor der wir nun zu viert standen.
Drinnen fragte Ian Ekenberry: »Wer ist da?« Es klang gepreßt, vorsichtig, ängstlich.
»Ich bin es: Tony Ballard«, antwortete ich.
Ekenberry öffnete. »Mr. Ballard! Dem Himmel sei Dank.«
Wir traten ein.
Roxane erblickte Oda. Sie eilte auf sie zu und umarmte sie, drückte sie innig an sich. Ein ergreifendes Bild. Aber die weiße Hexe blieb weiterhin unansprechbar.
Ekenberry reichte mir erleichtert die Hand. Auch Perkins schüttelte sie mir und sagte: »Endlich. Wir saßen hier wie auf glü- henden Kohlen.«
»Ich bin froh, Sie gesund wiederzusehen«, sagte ich ehrlich. Das war keine Selbstverständlichkeit. Immerhin waren sie Magos Schergen begegnet.
Claudia Clooney lehnte unbeachtet an der Wand. Ihr schwarzes Haar war zerzaust. Sie hatte Tränen in den Augen. Ich wies auf sie und wollte von Mr. Silver wissen, wer sie war.
Er nannte mir ihren Namen.
»Und?« fragte ich.
»Sie war vom Bösen besessen. Roxane und ich hatten den Eindruck, sie befände sich auf der Suche nach Oda. Als wir sie ansprachen, ging sie urplötzlich auf Roxane los, die es jedoch schaffte, die schwarze Kraft aus ihr zu vertreiben.«
»Die Gefahr ist verbannt?« wollte ich wissen.
»Ja. Claudia ist jetzt wieder okay.«
»Sie sieht mitgenommen aus.«
»Sie braucht ein paar Minuten, um all das zu verdauen.«
Claudias Blick richtete sich auf Mr. Silver. »Ich… ich wollte …«
Der Ex-Dämon winkte ab. »Vergessen Sie’s.«
»Ich habe versucht, Roxane…«
Mr. Silver grinste. »Hauptsache, Sie haben es nicht geschafft.«
»Ich bin nicht nur über Roxane hergefallen«, beichtete Claudia Clooney. »Ich wollte auch Dinsdale Lamb, meinen Kollegen, umbringen.«
»Blieb es beim Wollen?« fragte ich.
»Ja. Larry Davis, der Busfahrer, ging dazwischen, sonst hätte ich Dinsdale erwürgt. Ich war viel kräftiger als er.«
Das war nichts Neues für mich. Besessene entwickelten häufig enorme Kräfte, zu denen sie unter normalen Umständen nicht fähig gewesen wären.
»Wer hat Sie für seine Zwecke mißbraucht?« erkundigte ich
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