010 - Skandal in Waverly Hall
was du uns gerade erzählt hast."
„Nein! Man würde mich sofort verhaften." Patrick wandte sich ab und ging zur Tür.
„Es war ein Unfall. Dafür will ich nicht hängen."
„Gab es Zeugen?" fragte Dominick.
„Nein."
Er zögerte einen Moment. „Wie bist du an meinen Manschettenknopf mit dem Saphir gekommen?"
„Ich folgte Anne und dir nach Schottland", antwortete Patrick. „Anne weiß es schon.
Ich stahl mich mehrmals nach Tavalon Castle hinein." Seine Brust hob und senkte sich heftig. „Es tut mir so leid, Dominick."
„Mir auch", sagte Dominick traurig. „Wenn du nicht zur Polizei gehst, muß ich es tun."
Patrick sah den Freund gequält an und floh ohne ein weiteres Wort aus dem Raum.
Anne setzte sich zu Dominick, und er zog sie an seine Seite. Sie sah ihn an und teilte seinen Kummer.
„Wir müssen der Polizei sagen, was wir wissen, Anne", erklärte er.
„Ja, du hast recht", antwortete sie und legte den Kopf zärtlich an seine unverletzte Schulter.
Er hielt sie fest und drehte sie so, daß er ihr in die Augen schauen konnte. „Aber kein Gesetz der Welt zwingt uns, es sofort zu tun. Wir können uns Zeit lassen"
Annes Herz klopfte schneller. Trotz allem, was Patrick getan hatte, wollte sie nicht, daß er ins Gefängnis mußte oder gar gehängt wurde. „Stimmt. Schließlich bist du sehr krank. Es reicht, wenn wir dem Inspektor in einigen Tagen oder nächste Woche alles erzählen."
Dominick sah sie eindringlich an. „Ich hoffe, Patrick ist so klug und erkennt, daß er England auf dem schnellsten Weg verlassen muß", sagte er leise.
Anne hoffte es ebenfalls.
31. KAPITEL
Rutherford House
„Ich bin gekommen, um den Herzog zu besuchen", verkündete Ciarisse.
Caldwell nickte mit unbeweglicher Miene. „Seine Gnaden ist gerade aus einem kleinen Schlummer erwacht."
Aus einem kleinen Schlummer... Ciarisse jubelte innerlich. Wie hinfällig der Herzog geworden war. Sie hatte keine Angst mehr vor ihm. „Dann gibt es keine echte Besserung?"
Caldwell führte sie nicht ins Schlafzimmer, sondern in die Bibliothek. „Im Gegenteil, Madam. Seine Gnaden spricht inzwischen einige Worte. Allerdings kann er noch keinen Gebrauch von seinen Beinen machen."
Ciarisse war einen Moment enttäuscht. Sie hatte angenommen, daß Rutherford vollständig gelähmt wäre. Dann tröstete sie sich mit dem Gedanken, daß er immer noch bettlägerig war und kaum sprechen konnte. Zweifellos würde er bald sterben.
Aber nicht, bevor sie ihm gesagt hatte, was ihr auf der Zunge brannte - nicht bevor sie ihre Rache gehabt hatte.
Caldwell kündigte Ciarisses Besuch an, nachdem er die schwere Doppeltür geöffnet hatte. Der Herzog saß in einem Sessel. Eine leichte Kaschmirdecke war über seinen Schoß gebreitet. Im Kamin brannte ein Feuer, und die „London Times" lag geöffnet auf seinen Knien.
Ciarisse war sprachlos. Rutherford blickte ihr mit solch einer aristokratischen, einschüchternden Miene entgegen, daß sie glaubte, der Butler hätte nicht die Wahrheit gesagt und der Herzog wäre restlos wiederhergestellt. Für einen kurzen Augenblick verlor sie die Fassung.
Dann öffnete der Rutherford den Mund. „W... was ist?" krächzte er.
Ciarisses Puls begann zu rasen. Auf diesen Augenblick hatte sie jahrelang gewartet.
Ihre Nervosität nahm zu, und ihre Stimme klang heiser. „Guten Tag, Euer Gnaden.
Ich bin gekommen, um Sie zu besuchen."
Seine Nasenflügel bebten unmerklich. „D...D...Dominick?"
Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. „Machen Sie sich Sorgen wegen Dominick?
Nun, er steckt gewiß in Schwierigkeiten. Und ich meine nicht den Mord, dessen man ihn beschuldigt. Ich rede von der Tatsache, daß alle Welt inzwischen von seiner illegitimen Herkunft weiß." Erschrocken stellte sie fest, daß der Butler die Bibliothek nicht verlassen hatte. „Wir brauchen Sie nicht mehr, Caldwell", erklärte sie. „Sie können gehen."
Caldwell drehte sich zu dem Herzog und sah ihn an.
„G... geh", sagte Rutherford. Es klang wie ein Befehl.
Ciarisse empfand eine wilde Befriedigung.
Der Butler verließ zögernd den Raum und schloß die Tür hinter sich.
Ciarisse lächelte triumphierend und trat näher an den Herzog heran. „Sie wissen, daß ich Sie immer noch verabscheue, nicht wahr? Daß ich Ihnen niemals vergeben werde, was Sie mir angetan haben."
Er antwortete mit einem kühlen Lächeln. Doch sein Blick war äußerst wachsam.
Ein eisiger Schauder durchrieselte Ciarisse. Ihr war, als wäre Rutherford immer noch
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