010 - Skandal in Waverly Hall
Leben gerettet", fügte er hinzu. „Du erinnerst dich an den Bootsunfall, nicht wahr?"
„Wir sind keine Freude! Schon lange nicht mehr. Nicht seit Anne in unser Leben getreten ist. Es interessiert mich nicht, daß du mir einmal das Leben gerettet hast", brach es aus Patrick hervor.
„Nimm die Waffe herunter", sagte Dominick unbeirrt.
„Bitte, nimm die Waffe herunter", wiederholte Anne.
„Heiratest du mich?" Patrick drehte sich zu ihr. „Wir könnten gemeinsam davonlaufen. Im Ausland spielt es keine Rolle, ob du geschieden bist oder nicht.
Niemand kennt dort die Wahrheit. Verläßt du Dominick und heiratest mich?"
Anne blieb nichts übrig, als Patrick zustimmen. Dem Mann war sonst alles zuzutrauen. Sie sah zu Dominick und las die Ermutigung in seinen Augen. Langsam nickte sie.
„Ja", flüsterte sie.
Wieder hatte Patrick hatte den stummen Blickkontakt bemerkt und dessen Bedeutung verstanden. „Lügnerin!" schrie er und richtete seine Pistole genau auf ihre Brust.
Anne keuchte vor Entsetzen. Im selben Augenblick sprang Dominick ihren Vetter von der Seite an.
Patrick wirbelte herum, und ein Schuß löste sich aus seiner Waffe. Dominick warf Patrick auf den Rücken, und die Männer rangen miteinander. Anne sah das Blut, konnte aber nicht erkennen, wer von beiden verletzt war. Erneut fiel ein Schuß, und Dominick sank schlaff zur Seite.
Anne erstarrte vor Schreck, und Patrick stand langsam auf. Er war ebenfalls über und über mit Blut bespritzt. Doch Anne hatte nur Augen für Dominick, auf dessen Brust sich ein roter Fleck ausbreitete.
Entsetzt eilte sie zu ihm, sank auf die Knie und nahm seinen Kopf zwischen beide Hände. Seine Lider zuckten. „Dominick. O nein!"
Sie beugte sich hinab und legte die Wange auf seine Brust. Zum Glück schlug sein Herz gleichmäßig und kräftig. Erleichtert stellte sie fest, daß die Kugel zwischen dem Schlüsselbein und der Achselhöhle eingedrungen war.
Bebend holte sie Luft und sah zu Patrick auf. Sie mußte sich zusammenreißen, damit er ihre Wut nicht merkte.
Ihr Vetter stand eindeutig unter einem Schock.
Neue Hoffnung keimte in ihr auf. „Schnell, Patrick. Do-minick braucht einen Arzt. Hol sofort einen Arzt."
Patrick rührte sich nicht, sondern starrte weiter zu Domi-nick hinab. Sein Gesicht war kreideweiß. „Meine Güte", stieß er mit weit aufgerissenen Augen hervor.
„Meine Güte, wird er sterben?"
„Wir brauchen einen Arzt!" rief Anne. Entschlossen zog sie ihre Reitjacke aus und drückte den wattierten Stoff auf die Wunde. „Ja, er wird sterben, wenn er nicht bald Hilfe bekommt." In ihrer Verzweiflung begann sie zu weinen. „Bitte, Patrick, hol einen Arzt!"
Plötzlich war Patrick neben Dominick auf den Knien. „O nein", flüsterte er, und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Was habe ich getan?"
„Dominick! Dominick!" rief Anne und drückte die Jacke fester auf die Wunde. Sie wagte nicht nachzusehen, wie stark der Einschuß blutete. „Kannst du mich hören?
Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir."
Dominick stöhnte leise und öffnete langsam die Lider. Seine Pupillen waren geweitet, und sein Blick irrte in die Ferne.
„Du wirst nicht sterben", versicherte sie ihm. „Lauf und hol einen Arzt, Patrick. Und einige Diener. Beeil dich!"
Patrick sprang auf die Füße. Er war leichenblaß. Ohne ein Wort zu sagen oder anzudeuten, daß er verstanden hatte und Hilfe holen würde, lief er zu seinem Pferd und ließ die Pistole unterwegs fallen. Er stieg in den Sattel, gab dem Tier die Sporen und verschwand im Galopp zwischen den Bäumen.
Anne blieb mit Dominick allein.
Ihr Herz raste vor Angst. Das Entsetzen überwältigte sie beinahe, und sie atmete einige Male tief durch, um sich zu beruhigen. Was sollte werden, wenn Patrick einfach floh?
„Anne ..." flüsterte Dominick.
Sie sah ihn an. Sein Gesicht war aschfahl. Doch sein Blick war jetzt fest. „Es wird bestimmt alles gut", versprach sie und zwang sich zu einem Lächeln.
„Wie schwer bin ich verletzt?"
Anne strich mit der Zunge über ihre Lippen. „Das weiß ich nicht. Du hast eine Menge Blut verloren. Aber die Wunde ist näher an der Schulter als an deinem Herzen." Sie konnte kaum sprechen. Wenn Dominick starb, wollte sie auch nicht mehr leben. Das würde sie niemals ertragen.
Schweißperlen bildeten sich an seinen Schläfen. „Laß mich die Jacke auf die Wunde drücken. Zieh deinen Unterrock aus und zerreiß ihn in Verbandsstreifen", stieß er mühsam hervor. Das
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