010 - Skandal in Waverly Hall
fassungslos an.
„Tu das nicht, Dominick", sagte Anne schnell. „Wir sind doch alle Freunde. Stell kein Ultimatum, das du später bedauern könntest."
Dominick sah sie wieder an. „Weshalb nicht? Was macht schon ein Fehler mehr, wenn das ganze Leben aus Reue besteht?"
Anne rührte sich nicht und ließ Dominick nicht aus den Augen. Er hielt ihrem Blick stand und spürte erneut jene seltsame Anziehungskraft zwischen ihnen. Sie beunruhigte ihn ebenso wie seine Wut und seine Eifersucht.
Endlich riß Anne sich von seinem Anblick los. „Vielleicht solltest du jetzt wirklich gehen, Patrick", sagte sie. „Ich bin sicher, daß wir morgen alle vernünftiger sind. Es war ein langer anstrengender Tag."
Patrick zögerte noch.
Dominick wurde immer verärgerte. „Mir scheint, meine Frau hat dich ebenfalls gebeten zu gehen. Guten Abend, Patrick."
Patrick konnte sich eine letzte bissige Bemerkung nicht verkneifen.
„Selbstverständlich werde ich gehen." Er lächelte spöttisch. „Ich kann Anne doch keine Bitte abschlagen. Vor allem nicht, nachdem ihr Waverly Hall jetzt gehört."
Dominick lächelte drohend. „Darf ich dich an folgendes erinnern, mein Freund?
Anne mag zwar die Herrin von Waverly Hall sein, aber ich bin der Marquess. Vergiß das bitte nicht."
Patrick wandte sich ab, und Anne eilte ihm nach.
„Er beruhigt sich bestimmt wieder", versicherte sie ihrem Vetter. „Ich werde ihm alles erklären." Sie warf Dominick einen wütenden Blick über die Schulter zu.
Patrick blieb stehen, nahm ihre Hand und drückte sie. „Ich hoffe, wir sehen uns morgen", sagte er.
Anne nickte stumm. Dominick fand, daß sie Patricks Hand viel zu lange hielt.
„Rechne lieber nicht damit", knurrte er.
Ohne ihn zu beachten, schlenderte Patrick davon. Anne sah ihm gemeinsam mit Dominick nach, bis er in der Dunkelheit verschwand. Lange sprachen beide kein Wort.
Endlich brach Dominick das unheilvolle Schweigen, das zwischen ihnen entstanden war. „Du sagtest, du wolltest mir alles erklären", begann er spöttisch.
Anne drehte sich zu ihm. „Du mußt dich unbedingt bei Patrick entschuldigen."
Er lachte schallend. „Ich soll mich bei ihm entschuldigen? Mir scheint, es ist genau umgekehrt. Ihr beide solltet mich um Verzeihung bitten."
Anne ging nicht auf seine Bemerkung ein. „Ich erwarte übrigens ebenfalls eine Entschuldigung von dir."
Diesmal klang sein Lachen eher höhnisch. „Wirklich?"
Annes Wangen brannten vor Zorn, und ihr Busen hob und senkte sich heftig. Sie kochte innerlich und erinnerte sich nicht, wann sie das letztemal so wütend gewesen war. „Du warst vier Jahre fort und hast dein altes Leben weitergeführt.
Auch jetzt bist du nur hier, weil du von der Krankheit deines Vaters erfahren hattest.
Leugne es nicht, denn ich lasse mich nicht täuschen. Ich weiß, daß es der einzige Grund für deine Rückkehr war." Sie schwieg einen Moment und fuhr fort: „Plötzlich bist du wieder da und willst mir vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe?
Mit wem ich mich treffen darf und mit wem nicht? Du tauchst hier auf und wagst es, mich als deine Ehefrau zu bezeichnen?"
Dominick verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte kühl. „Das ist richtig." Er kniff die Augen ein wenig zusammen. „Du bist meine Ehefrau."
Anne holte scharf Luft. „Unsere Ehe ist eine Farce."
„Meinst du?"
Sie straffte sich unmerklich. Die innere Stimme riet ihr dringend, nichts mehr zu sagen.
Dominick stellte sich vor sie und richtete sich hoch auf. „Du verwaltest ein großes Landgut, Anne. Außerdem hat Rutherford dafür gesorgt, daß du völlig unabhängig von mir wirst. Zur Zeit bist du Marchioness, und eines Tage wirst du Duchess of Rutherford sein, die mächtigste und reichste Frau Englands nach der Königin. Und du wagst es, zu behaupten, daß unsere Ehe eine Farce ist? Das sehe ich anders.
Meiner Ansicht nach hast du einen erheblichen Nutzen aus unserer Heirat gezogen."
„Die Titel sind mir gleichgültig", stieß Anne hervor und wunderte sich, daß er seine Verärgerung so offen zur Schau stellte. „Und an Reichtum hat mir noch nie gelegen."
„Aber dir liegt an Waverly Hall", sagte Dominick schneidend.
Anne zögerte keine Sekunde. „Ja, das stimmt. Ich verwalte das Gut seit vier Jahren.
Es ist mir inzwischen ebenfalls zur Heimat geworden."
Dominick lachte bitter. „Aber nur wegen deiner Heirat mit mir, Anne. Ich nehme an, du hast meine Rolle dabei nicht vergessen."
„Wie könnte ich?" antwortete
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