010 - Skandal in Waverly Hall
erschießen."
Dominick entspannte sich langsam. „Also gut, ich werde es nicht tun. Ich brächte es gar nicht fertig. Aber halte dich in Zukunft von dem Tier fern. Habe ich mich klar ausgedrückt, Anne?"
Anne hütete sich, ausgerechnet jetzt mit Dominick zu streiten. Sie sah zu dem Herzog hinüber. Er warf ihr einen aufmunternden Blick zu.
„Ja", antwortete sie kleinlaut und sank schlaff in Dominicks Arme zurück. Sie war restlos erschöpft.
„Dir geht es nicht gut!" rief Dominick und eilte die Stufen zum Haus hinauf.
Ciarisse stand an der Vordertür und sah ihnen mit großen Augen besorgt entgegen.
Anne straffte sich plötzlich, denn sie entdeckte Felicity hinter ihrer Schwiegermutter. Das Gesicht der Cousine war gerötet, und ihre Augen glänzten seltsam. „O Anne", rief sie mit unnatürlich hoher Stimme, während Blake an ihre Seite trat und sie merkwürdig ansah.
Anne wandte den Blick ab, und ihr Herz begann zu pochen. Freute Felicity sich etwa, daß sie beinahe getötet worden wäre? Frohlockte sie insgeheim darüber?
„Ich werde sofort die Zofe mit Franzbranntwein zum Einreiben in das Zimmer Ihrer Ladyschaft schicken, Sir", sagte Bennet, der an Dominicks Seite aufgetaucht war.
Sein Gesicht war aschfahl.
Die Haushälterin erschien mit Belle auf der anderen Seite. „Soll ich kalte Kompressen und etwas Tee nach oben bringen, Mylord?" fragte Mrs. Riley.
„Ja. Auch eine Flasche Brandy, wenn Sie schon gerade dabei sind", verlangte Dominick, und die Frauen eilten davon. „Sorg bitte dafür, daß die beiden Collins'
nach Hause gebracht werden, Blake", fuhr er fort.
„Selbstverständlich", antwortete der Freund und ergriff Felicitys Arm. „Patrick?"
Was anschließend geschah, sah Anne nicht mehr, denn Dominick stieg die Treppe mit ihr nach oben. Gewiß hatte sie sich die Erregung und das seltsame Verhalten der Cousine nur eingebildet. Anders war es nicht möglich. „Setz mich ab, Dominick. Ich kann laufen", verlangte sie.
„Das kommt nicht in Frage."
Anne merkte, daß es keinen Sinn hatte, mit ihm zu streiten.
Sobald sie im Schlafzimmer waren, ließ Dominick sie vorsichtig auf das Bett nieder.
Er beugte sich über sie und zog ihr behutsam die Jacke aus. Anne riß sich zusammen, um nicht aufzuschreien, als er ihren rechten Arm aus dem Ärmel zog. Anschließend öffnete er ihre Bluse.
„Dominick, wo ist Belle?" stieß sie erschrocken hervor.
„Ich nehme an, sie wird gleich kommen", antwortete er und setzte seine Arbeit fort.
Langsam kehrte die Farbe in Annes Wangen zurück. Sie beobachtete, wie Dominick ihre Bluse achtlos beiseite warf. Ihr Korsett hatte sich schon gelockert, und er zog es geschickt fort. Anschließend schob er ihr Hemd in die Höhe.
Anne sah ihm ins Gesicht. Dominick schien sich gar nicht bewußt zu sein, daß sie halbnackt vor ihm lag. Vorsichtig drückte er mit der flachen Hand auf ihre schmerzenden Rippen, und Anne zuckte zusammen.
Einen Moment sahen sie sich fest in die Augen. „Tut das weh?" fragte Dominick.
„Ja", flüsterte Anne.
„Du hast eine ziemlich häßliche Prellung. Aber es hätte noch schlimmer kommen können - viel schlimmer." Plötzlich rührte er sich nicht mehr, und sein Blick glitt tiefer.
Dann hob er den Kopf wieder und sah sie erneut an. Unzählige widersprüchliche Gefühle spiegelten sich in seinem Blick - eine Welle heißen Begehrens und die Entschlossenheit, dagegen anzukämpfen, erstaunliche Sanftheit und grimmiger Zorn.
Endlich richtete er sich auf und trat beiseite. Anne zog ihr Hemd wieder hinunter.
Die Bewegung schmerzte, und sie keuchte unwillkürlich.
Dominicks offene Besorgnis und seine Zärtlichkeit trieben ihr Tränen in die Augen.
Er drehte sich um und sah sie wieder an. Lange sprachen sie beide kein Wort. Eine ungeheure Spannung lag in der Luft.
„Du hättest getötet werden können", sagte Dominick mit belegter Stimme.
„Ich weiß."
„Ich muß dir später dringend einige Fragen stellen."
Anne sah ihn verwirrt an, doch Dominick verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Dominick eilte entschlossen zu den Ställen. Die Männer hatten Blaze schon eingefangen. Der Braune war mit doppelten Leinen auf dem Gang angebunden, wo es kühl und dunkel war. Doch diese Vorsichtsmaßnahme war eindeutig nicht mehr erforderlich. Das Pferd war restlos erschöpft. Es hielt den Kopf tief gesenkt, und seine mit Schweiß und Schmutz bedeckten Flanken bebten.
Dominick ging sofort zu ihm. „Pst, alter Junge, ganz ruhig. Was war mit
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