010 - Skandal in Waverly Hall
deinen Vorschlag akzeptiert, sonst nichts."
„Weshalb tust du mir das an?" rief er.
Anne zitterte am ganzen Körper. „Weil ich dir nicht traue, Dominick. Ich kann dir nicht trauen - das werde ich niemals tun."
Seine Miene verfinsterte sich. „Nun, zumindest bist du ehrlich - bis zu einem gewissen Grad."
„Das ist mehr, als man von dir behaupten kann", antwortete sie und wünschte sogleich, sie könnte ihre Worte zurücknehmen.
Er richtete sich drohend auf. „So, meinst du? Bin ich in deinen Augen ein verabscheuungswürdiger Lügner, der nur seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse im Kopf hat und dich zu seiner sexuellen Sklavin machen will?"
Anne wich erschrocken zurück. „Der ... der absurde Vorschlag stammte von dir!"
„Stimmt", erklärte er ungerührt, und sein Blick wurde hart.
Anne bedauerte ihren Entschluß unendlich, mit Dominick nach Schottland zu reisen, und rang verzweifelt die Hände. „Dominick ... du machst mir angst."
„Dann solltest du in Zukunft vielleicht etwas taktvoller sein", fuhr er sie an.
„Weshalb läßt du mich nichts von jener Freundlichkeit und Güte spüren, die alle Welt an dir rühmt?"
Anne straffte sich unwillkürlich.
„Nun, wahrscheinlich habe ich es nicht verdient. Vermutlich werde ich ewig für einen einzigen elenden Fehler büßen müssen." Er wandte sich ab und eilte verärgert zur Tür.
Anne beobachtete ihn und wünschte plötzlich, daß das Verhältnis zwischen ihnen anders wäre. Doch sie wagte nicht, auf die innere Stimme zu hören. „Dominick!"
Vor dem Ausgang blieb er stehen.
„Gilt unsere Vereinbarung noch?"
Dominick verzog spöttisch den Mund. „Du meinst, daß ich Waverly Hall - und dich - verlasse, nachdem die Woche vorüber ist?"
Sie nickte.
„Nur wenn du es möchtest." Er sah sie durchdringend an.
Anne atmete erleichtert auf. „Danke."
Er lachte hart. „Danke mir lieber nicht zu früh, Anne. Wenn wir diese Reise hinter uns haben, wirst du bestimmt nicht mehr wollen, daß ich gehe."
Sie hielt erschrocken die Luft an.
Dominick schlug die Tür hinter sich zu und kehrte erst am nächsten Tag zurück.
Anne blieb die ganze Nacht allein in dem Erste-Klasse-Wa-gen und schlief sehr unruhig. Sie bedauerte, daß ihr Gespräch mit Dominick so unerfreulich verlaufen war, und fürchtete sich ein wenig vor der Ankunft in Schottland. Sie hatte keine Ahnung, wo er die Nacht verbracht hatte. Belle, die ihr die Mahlzeiten servierte, wußte es ebenfalls nicht.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages hielt der Zug in einem kleinen Dorf. Kurz zuvor waren einige Bauernhöfe zu sehen gewesen. Außerdem hatte Anne einen jungen Schäfer mit seiner Herde auf einem grasbewachsenen Hang entdeckt. Eine Reihe strohgedeckter Steinhütten stand vor dem aus Holz errichteten Bahnhof.
Rauch kräuselte sich aus den Schornsteinen. Ein Mann mit Tweedmantel und abgetragener Mütze schob einen zweirädrigen Karren mit Reisigbündeln. Vor einer Hütte hing windschief das verblichene Schild eines Gasthofs. Mit beinahe unleserlichen Buchstaben waren die Worte „Red Deer Inn" darauf gemalt.
Die Wagentür öffnete sich, und Anne richtete sich instinktiv auf. Dominick kehrte zurück. Seine Miene war undurchschaubar. „Wir steigen hier aus", erklärte er.
Anne stand etwas zu hastig auf. „Wo sind wird?" fragte sie.
„In einem kleinen Weiler namens Falkirk. Mein Jagdschloß liegt etwa fünfundzwanzig Kilometer von hier entfernt. Wir können es noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen."
Anne wurde ein bißchen mutlos. Sie hatte angenommen, das Schloß wäre wesentlich näher. Sie war müde und sehnte sich nach einem weichen Bett.
Allerdings konnte sie nicht damit rechnen, daß Dominick sie heute nacht in Ruhe lassen würde. Ihr Puls begann zu rasen, und sie verdrängte rasch alle weiteren Gedanken.
Ihr blieb nichts übrig, als sich Dominick anzuschließen. Er trat beiseite, damit sie vorangehen konnte. Verig und Belle waren schon ausgestiegen. Ein Pferdewagen wurde gerade mit ihrem Gepäck beladen, und die beiden überwach-ten den Vorgang.
Anne blickte mißtrauisch zum Himmel. Dunkle Wolken ballten sich drohend zusammen. Ein Windstoß zerrte an ihren Kleidern und ihrem Hut. Sie drückte die Röcke mit den Händen nieder und hoffte, daß ihr Hut fest genug saß. Sie merkte, daß Dominick sie beobachtete. „Bekommen wir einen Sturm?"
„Möglich wäre es", antwortete er. „Andererseits ist das Wetter an der Küste unberechenbar. Und dort liegt mein
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