0100 - Die Drohung
war es mal ein Mensch«, meinte Art sehr ernst.
Sven schaute ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Macht dir das heiße Klima zu schaffen – oder was ist? Das ist ein Tier, aber kein Mensch.«
»Wir haben hier schon die unmöglichsten Dinge erlebt. Wir sind in die Permzeit zurückgeworfen worden, in der die gewaltigen Saurier leben, finden hier einen Friedhof vor, der direkt in unsere normale Welt passen könnte, und warum, zum Teufel, soll ein Rabe kein Mensch sein, frage ich dich?«
»Weil so etwas nicht geht.«
»Ich glaube langsam an nichts mehr.« Art Cornwall stand auf. Er drehte sich um und erschrak bis ins Mark.
Vor ihm stand wiederum das Skelett.
Nur Sven hatte noch nichts bemerkt. Er redete eifrig weiter, bis er Arts erstickten Schrei hörte.
Da schwieg auch er.
Der Schwarze Tod aber lachte. »Nie!« dröhnte es aus seinem Maul. »Nie werdet ihr vom Friedhof am Ende der Welt verschwinden können. Ich bin hier der Herrscher. Ich bin die Drohung. Ich bin der Tyrann. Nichts geschieht ohne meinen Willen. Und wenn ich die Pforten der Hölle öffnen will, so kann ich das. Habt ihr verstanden?«
Die Männer nickten eingeschüchtert.
Der Schwarze Tod beugte seinen mächtigen Schädel vor. Diesmal schimmerten die Augenhöhlen glutrot wie die des Raben auf dem Baumast. »Nicht ohne Grund habe ich euch in diese Welt geholt«, sagte er, »denn ihr sollt für mich arbeiten.«
Art faßte sich ein Herz. »Und was sollen wir tun?« fragte er flüsternd.
»Ein Grab ausheben!«
»Für uns?«
»Nein!« grollte der Schwarze Tod. »Nicht für euch, sondern für meinen Feind. Für John Sinclair. Seinen Leichnam will ich hier auf dem Friedhof verscharren…«
***
Will Mallmann war in den letzten Wochen um Jahre gealtert. Der Tod seiner Frau hatte ihn ungeheuer hart getroffen. Nach diesem schrecklichen Mord hatte er seinen Urlaub genommen und sich in der Wohnung vergraben.
Kein Telefon, kein Radio – nichts…
Will saß nur da und grübelte. Selbst von seinen alten Freunden wollte er nichts mehr wissen. Ihn interessierte kein John Sinclair, kein Bill Conolly und auch der Chinese Suko nicht. Manchmal hatte er sich gefragt, ob das Leben für ihn überhaupt noch einen Sinn hatte – jetzt, nachdem Karin tot war.
Die Bilder waren ihm geblieben. Erinnerungen eines Urlaubs im Bayerischen Wald. Porträtfotos von Karin, dann Aufnahmen, die sie mit ihren Schulkindern zeigte. Mal verträumt, mal lachend, dann wieder ernst oder heiter.
Fotos aus einer Zeit, die unbeschwert war.
Bis zu Karins Tod.
Eiskalt hatte der mächtige Dämon zugeschlagen und die Frau von seiner Seite gerissen.
Will verzweifelte fast. Obwohl er lange Junggeselle geblieben war, hatte er sich so stark in Karin verliebt, daß nach ihrem Tod in ihm etwas zerbrochen war.
Will Mallmann war nicht mehr der alte. Auch seine Stereo-Anlage interessierte ihn nicht mehr. Drei Wochen blieb er in seiner Wohnung, aß wenig und trank kaum, während die Falten in seinem Gesicht immer tiefer wurden.
Doch die Zeit des Urlaubs verging. Will mußte wieder an seinen Arbeitsplatz.
Die Kollegen wußten Bescheid. Einige von ihnen waren sogar dabeigewesen, als der schreckliche Mord passierte. Will wurde zu seinem Chef gerufen und hatte mit ihm ein langes Gespräch. Der Kriminalrat baute ihn innerlich wieder auf. Er war wie ein Psychiater.
Will Mallmann fand wieder etwas Spaß an seiner Arbeit. Mehr noch, er wurde regelrecht besessen. Er war der erste am Morgen und der letzte, der abends ging. Manchmal schuftete er bis weit in die Nacht hinein.
Mit Dämonen und anderen Geschöpfen der Finsternis hatte er nichts zu tun. Er bearbeitete seine normalen Fälle und erzielte glänzende Erfolge.
Das BKA stellte dank Wills Initiative manch langgesuchten Gesetzesbrecher.
Doch Will Mallmann vergaß seine Karin nicht.
Nach wie vor stand ihr Bild auf seinem Schreibtisch. Allerdings mit einem Trauerflor verziert.
Das gleiche Foto befand sich auch in seiner Wohnung. Es stand auf seinem Nachttisch, direkt neben dem Bett. Will Mallmann schaute es immer sehr lange an, bevor er einschlief.
Ruhig hatte er noch keine Nacht verbracht. Immer wieder quälten ihn Alpträume, oft schreckte er schweißgebadet hoch und hatte das Gefühl, Karin würde im Zimmer stehen.
Doch er war allein.
Kommissar Mallmann schaute auf seine Uhr. Schon zwei Stunden vor Mitternacht. Der Tag und der Abend waren wieder einmal wie im Fluge vergangen. Zwar wurde im BKA auch nachts gearbeitet, doch
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