0100 - Die Drohung
hinter den meisten Fenstern war es dunkel.
Will Mallmann erhob sich seufzend von seinem Schreibtisch und zog den schwarzen Trench über. Dann löschte er das Licht und verließ seinen Arbeitsplatz. Mit dem Lift fuhr er nach unten.
Der Nachtportier grüßte ihn freundlich. »Immer noch im Dienst, Herr Kommissar?«
Will lächelte spärlich. »Jetzt nicht mehr, mein Lieber.«
»Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Herr Kommissar.«
»Danke sehr.«
Will Mallmann verließ das Gebäude und schritt auf den Parkplatz zu, wo sein Opel Manta stand. Er setzte sich hinter das Lenkrad, zückte den Zündschlüssel und startete. Willig sprang der Wagen an. Will war ein schneller Fahrer. Gewesen – mußte man jetzt sagen. Nach Karins Tod hatte er sogar die Lust am Autofahren verloren.
Eins jedoch war geblieben.
Der Haß auf den Schwarzen Tod.
Diesen Dämon haßte er bis aufs Blut, und er war sicher, daß er ihm irgendwann einmal wieder gegenüberstehen würde. Allerdings verkannte Will die Situation, denn der Schwarze Tod war noch die rechte Hand des Teufels und dabei ungeheuer mächtig. Er brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und Will war vernichtet.
Schon einmal hatte Will sich auf ihn stürzen wollen, waffenlos und voller Haßgedanken. Bill Conolly hatte ihn im letzten Augenblick noch davon abhalten können, sonst wäre Will Mallmann in sein Verderben gerannt.
Wie ein Schlafwandler fuhr der Kommissar den Weg zu seiner Wohnung. Er kannte hier jeden Stein, jede Ampel, jeden Flecken Erde. Wie immer kam ihm seine Wohnung ungeheuer leer vor, als er sie betrat. Obwohl vor Karin Mallmanns Ableben auch niemand auf ihn gewartet hatte, war es doch etwas anderes. Karin hatte einige Zeit bei ihm gewohnt und Leben in die Wohnung gebracht. Sie hatte stets frische Blumen gekauft und die Tische damit dekoriert. Alles war frischer und farbiger gewesen, doch nun…
Seufzend zog der Kommissar seinen Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe.
Er verspürte Durst nach diesem langen Tag im Büro, ging an den Kühlschrank und holte eine Flasche Bier hervor. Es war die letzte. Er mußte wieder für Nachschub sorgen.
Will nahm kein Glas, sondern trank kurzerhand aus der Flasche. Das kühle Bier tat gut, es war Balsam für seine Kehle. Der Kommissar setzte sich an den Tisch und leerte die Flasche.
Er dachte darüber nach, ob er noch die Flimmerkiste anstellen sollte, verzichtete aber darauf.
Will stellte die Flasche weg, löschte das Licht und begab sich ins Bad.
Dort standen noch immer Karins Kosmetika. Will hatte sie einfach nicht wegräumen können. Manchmal war es ihm, als wäre Karin nur eben weggegangen und würde bald wiederkommen.
Der Kommissar machte sich etwas vor, das gab er selbst zu. Doch das ging niemanden etwas an. Er hatte auch sein Telefon leiser gestellt. Will wollte keine Anrufe.
Er hatte sich völlig zurückgezogen. Nachdenklich betrachtete er sein Gesicht im Spiegel. Das helle Licht der Leuchtstoffröhre zeichnete jede Falte nach und auch die Ränder unter den Augen des Kommissars.
Er sah erschöpft aus. Kein Wunder, wenn man so wenig Schlaf bekam. Automatisch zog er sich aus, stellte sich kurz unter die Dusche, schlüpfte in einen frischen Schlafanzug und begab sich ins Schlafzimmer.
Jeden Abend das gleiche Ritual. Auf dem Nachttisch lagen zwei wertvolle Kunstbücher. Sie hatten schon Staub angesetzt, Will war nicht dazu gekommen, sie zu lesen.
Auch jetzt legte er sie zur Seite, nur das Bild seiner toten Frau blieb stehen.
Will schaltete die Lampe ein. Der Strahl fiel so, daß er direkt das Bild traf.
Karin lächelte darauf, ihre Augen strahlten den Betrachter wie zwei Sterne an. Will strich mit dem Finger über das Bild. Lange betrachtete er es und atmete dabei schwer.
Dann löschte er das Licht.
Und wieder einmal wollte der Schlaf nicht kommen. Will wälzte sich hin und her. Klar und deutlich stand die Szene in der Schloßkirche vor seinen Augen. Es war wie immer, wie jede Nacht…
Irgendwann fiel der Kommissar in einen bleiernen Schlaf. Es dauerte eine Zeit, bis die Träume kamen.
Er kannte sie schon auswendig.
Der Schwarze Tod tauchte auf.
Die Drohung persönlich, wie er seine Sense schwang und sie auf winzige Menschen niederfahren ließ.
Will erkannte seine Freunde in den Menschen sowie Karin und sich selbst.
Karin klammerte sich an ihn, schrie um Hilfe. Will warf sich vor das herabsausende Sensenblatt, doch es fuhr durch seinen Körper, ohne ihn zu verletzen und traf die hinter ihm
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