0100 - Die Schule der Dämonen
ließ die Vase auf seinen Schädel niederkrachen.
Zamorra ächzte. Auf seiner Stirn war die Haut aufgeplatzt. Bluttropfen traten hervor. Seine Augenlider begannen zu zucken.
Ohne zu zögern, schlug Nicole zum zweiten Mal zu. Diesmal gab der Professor keinen Laut von sich. Schlaff und ruhig lag sein Körper da. Nur das Heben und Senken seiner Brust verrieten, daß er überhaupt noch lebte.
Nicole stellte das zweckentfremdete Blumengefäß auf den Nachttisch. Anschließend beugte sie sich erneut über Zamorra. Ihre Hände griffen nach der dünnen Goldkette, die an seinem Hals hing. Geschickt streifte sie ihm die Kette, an der sein magisches Amulett baumelte, über den Kopf. Zamorra merkte nichts, lag noch immer totengleich da.
Das Mädchen trat mit völlig ausdruckslosem Gesichtsausdruck zurück. Sie steckte den Talisman in das kleine Brusttäschchen ihres bonbonfarbenen Negligés. Danach wandte sie sich ab, schlüpfte in ihre Schuhe und ging zum Kleiderschrank. Sie holte ihren Regenmantel hervor und zog ihn über. Ohne auch nur noch einen einzigen Blick auf den Professor zu werfen, verließ sie das Zimmer und fuhr mit dem Aufzug nach unten.
Als sie die Hotelhalle durchquerte, schreckte der Nachtportier aus seinem Dämmerdasein hinter der Rezeption hoch. Sein erstaunter Blick traf die junge Frau, die wie eine Mondsüchtige der Drehtür entgegenstrebte.
Nicole beachtete den Mann nicht. Zielstrebig drängte sie sich in die Tür und trat hinaus auf die nächtliche Straße. Dann blieb sie vor dem Hotel stehen — in abwartender Haltung.
Lange brauchte sie nicht zu warten.
Wie aus dem Nichts gekommen stand plötzlich ein Mann vor ihr. Ein würdiger Herr mit graumelierten Schläfen. Auffordernd streckte er die Hand aus.
Nicole griff in ihre Brusttasche, holte Zamorras Amulett hervor und reichte es wortlos dem Mann.. Dann verfiel sie wieder in ihre abwartende Haltung.
Der würdige Herr sah sie mit seinen brennenden Augen an und sagte: »Höre mich an Nicole Duval! Du wirst jetzt wieder in dein Hotelzimmer zurückkehren. Und dann wirst du Professor Zamorra töten. Hast du mich verstanden?«
»Ich werde Professor Zamorra töten«, antwortete Nicole mit tonloser Stimme.
»So gehe jetzt!« sagte der Mann. Sekunden später war er verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
Das Mädchen betrat das Hotel wieder, ging durch die Halle. Der Nachtportier rief ihr etwas zu. Sie nahm davon keinerlei Notiz, sondern setzte ihren Weg fort.
Kurz darauf war sie wieder in ihrem Hotelzimmer. Ein schneller, prüfender Blick auf den nach wie vor bewegungslos daliegenden Professor, dann ging sie ins Badezimmer.
Auf der Ablage über dem Waschbekken lag ihr Reisenecessaire. Sie öffnete es und entnahm ihm eine kleine, aber messerspitze Nadel schere. Ihre Hand schloß sich um die Schere wie um einen Faustkeil. Anschließend ging sie ins Zimmer zurück und trat an das Bett des Professors.
Mit geschlossenen Augen und blutender Stirn lag Zamorra vor ihr in den Kissen.
Nicole hob die Hand. Ihre Augen visierten die Kehle des Parapsychologen an…
***
Die Jubiläumsfeier des Tennisclubs von Limaux war in vollem Gange. Am frühen Abend hatte sie begonnen. Jetzt war Mitternacht bereits vorbei, aber noch immer dachte keines der feiernden Mitglieder daran, nach Hause zu gehen.
Die Stimmung im kleinen Saal des Hotel »Reims« schlug hohe Wellen. Und es war nicht, zuletzt der reichlich fließende Champagner, der die allseits gute Laune anheizte.
Bei aller Ausgelassenheit benahm sich jedoch niemand daneben. Der Club nahm nur Mitglieder auf, die über Geld und Kultur verfügten. Und alle waren darauf bedacht, ihren guten Ruf zu bewahren.
Auguste Verlaine, seines Zeichens einflußreicher Stadtrat, war es, der plötzlich eine ungewohnte Note in die heitere Tischrunde brachte.
Er stieß den Champagnerfabrikanten Cernet, der neben ihm saß, an und sagte: »Du, Arthur, sieh mal, wie unser Apotheker die ganze Zeit auf den Busen deiner Frau starrt. Ich glaube, deine Antoinette gefällt ihm sehr. Und er scheint ihr auch zu gefallen.«
Arthur Cernet war ein bißchen peinlich berührt. Seine Frau war dreißig Jahre jünger als er, und er wußte recht gut, daß es für Antoinette in gewisser Beziehung einen idealeren Ehemann gegeben hätte als ihn. Er ging nicht auf die Anspielung des Stadtrats ein, sondern griff nach seinem Champagnerglas und führte es scheinbar gleichmütig zum Mund.
René Laval, der Apotheker, hatte wohl mitbekommen, daß von ihm
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