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0100 - Die Schule der Dämonen

0100 - Die Schule der Dämonen

Titel: 0100 - Die Schule der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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seines angeschlagenen körperlichen Zustands war Zamorra um ein Mehrfaches stärker als das grazile Mädchen. Dennoch schaffte er es nicht, ihr die Schere zu entwinden.
    Er blickte ihr in das maskenhaft verzerrte Gesicht, blickte in ihre starren Augen. Schnell ahnte er, was mit ihr los war.
    Ohne ihre Hand loszulassen, holte er mit der Linken aus und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Es knallte, als sei ein Sektkorken aus der Flasche geflogen. Nicole torkelte zurück und wäre schwer zu Boden gestürzt, wenn sie der Professor nicht festgehalten hätte.
    Der harte Schlag in ihr Gesicht, der Zamorra selbst in der Seele wehtat, zeigte Wirkung.
    Der seelenlose Ausdruck in Nicoles Augen verflüchtigte sich. Die Muskeln in ihrem verkrampften Gesicht lockerten sich. Sie wurde wieder sie selbst.
    »Chef, was tust du?«
    Ihr Blick fiel auf ihre Hand, fiel auf die zum Stoß erhobene Schere. Ein erstickter Schrei kam aus ihrer Kehle. Wie eine glühende Kohle ließ sie die Schere fallen.
    »Chef!«
    Zamorra zog sie sanft zu sich heran.
    »Nicole, Gott sei Dank!«
    Nicole sank auf die Bettkante. Ihr Blick huschte über sein Gesicht.
    »Unheiliger Astabaal! Wie siehst du aus? Du blutest ja! Was… was ist hier passiert?«
    »Blut?« wunderte sich Zamorra. Er ließ Nicole los und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Rotbefleckt zog er sie zurück.
    »Teufel auch«, murmelte er. Und lauter: »Ich fürchte, meine liebe Nicole, dieses kleine Andenken habe ich dir zu verdanken.«
    Das Mädchen war entsetzt. »Mir? Aber wieso…«
    »Als ich zu mir kam, hocktest du über mir wie ein Raubvogel und warst im Begriff, mir diese Schere in den Hals zu jagen. Ich hatte allerdings den Eindruck, als ob du dir noch nicht ganz schlüssig warst, ob du es wirklich tun solltest.«
    Verständnislos schüttelte Nicole den Kopf. Erst jetzt schien sie zu bemerken, daß sie Mantel und Schuhe trug. Ihre Fassungslosigkeit wurde immer größer.
    »Ha… habe ich das Zimmer verlassen?« fragte sie hilflos wie ein kleines Kind.
    »Daran dürfte nicht zu zweifeln sein, meine Liebe. Dein Haar ist feucht, und auf dem Mantel sieht man noch deutlich die Regentropfen. Warte, das haben wir gleich.«
    Zamorra griff nach dem Zimmertelefon. Der Nachtportier meldete sich, und der Professor sprach kurz mit ihm. Dann legte er den Hörer wieder auf. Ein sehr, sehr nachdenklicher Zug war in sein Gesicht getreten.
    »Wie ich es mir schon dachte«, sagte er langsam. »Du warst unten. Der Portier sagt, daß du wie eine Traumwandlerin durch die Halle gegangen bist. Er ist neugierig geworden und dir nachgegangen. Er hat dich auf der Straße gesehen — im Gespräch mit einem Mann!«
    »Was für einem Mann?«
    Zamorra lächelte verkniffen. »Einem guten, alten Bekannten von mir. Ich habe ihn zwar nie persönlich getroffen, aber…« Er berichtete ihr von seinem eigenen nächtlichen Abenteuer.
    Entsetzen prägte Nicoles Gesicht. »Ich habe nicht die geringste Erinnerung an diesen Mann«, sagte sie fast tonlos.
    »Das hatte der Deutsche, der mich mit seinem Mercedes erledigen wollte, auch nicht. Ich stelle mir die Sache folgendermaßen vor. Der distinguierte, ältere Herr, bei dem es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Dämonen handelt, hat zuerst den beiden Deutschen seinen Willen aufgezwungen. Durch eine Art Hypnose, wie ich annehme. Er hat ihnen den Befehl erteilt, mich zu töten. Und als er erkannte, daß sein Plan fehlgeschlagen war, hat er sofort einen zweiten Versuch unternommen, mich umzubringen. Diesmal warst du das Werkzeug. Er hat dabei nur eins nicht berücksichtigt: Die meisten Menschen haben in ihrem Innersten eine Hemmnisschwelle, in Hypnose Dinge zu tun, die ihnen im Wachzustand völlig unmöglich wären. Jemanden zu töten, beispielsweise. Diese Hemmnisschwelle scheint auch in dir wirksam geworden zu sein. Du hast gezögert, mir die Schere in den Hals zu bohren. Und bevor du deine Skrupel überwinden konntest, bin ich zu mir gekommen. Gerade noch rechtzeitig, zum Glück.«
    Zamorra sah den leidenden Ausdruck in Nicoles Gesicht. Liebevoll legte er den Arm um sie.
    »Mach dir keine Sorgen mehr, Nicole«, sagte er warm. »Es ist ja alles gutgegangen.«
    Kurz darauf erkannte er, daß keineswegs alles gutgegangen war. Das war in dem Moment, in dem er merkte, daß sein Amulett verschwunden war.
    ***
    In den restlichen Stunden der Nacht machte Professor Zamorra kein Auge mehr zu.
    Ihm war, um es milde zu sagen, unbehaglich. Unbehaglich in der Gegenwart

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