0100 - Die Schule der Dämonen
schrie Brule triumphierend. »Haben wir den schmutzigen Verleumder schon entlarvt! Vorgestern war ich nämlich dén ganzen Tag nicht in Limaux. Ich war in Reims. Das kann ich beweisen. Es gibt mehr als fünfzig Zeugen!«
Der Wirt der L’Auberge d’or wurde verlegen. »Das… das kann nicht sein«, sagte er kleinlaut. »Ich… ich habe es gesehen.«
»Schmutziger Verleumder!« schrie Brule.
Strafend musterte ihn der Schiedsmann. »Was heißt hier Verleumder, Brule? Wenn de Gascard sagt, er hat Sie beim Panschen erwischt, so wird es wohl stimmen.«
»Was? Aber ich war doch gar nicht da! Ich kann es beweisen!«
»Das interessiert mich nicht«, sagte der Schiedsmann. »De Gascards Wort genügt mir. Hören Sie also meinen Schiedsspruch: Der bewußte Wein ist auf der Stelle zu vernichten. Ende der Verhandlung.«
Henri Brule bekam fast einen Schlaganfall. »Dafür… dafür bringe ich den Kerl um!« zischte er haß- und wuterfüllt.
Der Schiedsmann lächelte. »Das ist Ihr gutes Recht, Brule.«
***
»Chef, du fährst ja wirklich zurück zum Château!« wunderte sich Nicole.
»Natürlich«, bestätigte Zamorra. »Was hast du denn gedacht?«
»Ich habe gedacht, du hast d’Avallon eine kleine Komödie vorgespielt.«
Zamorra lächelte. »Das hast du gemerkt?«
»Bin ich denn dumm? Was meinst du, warum ich mich praktisch überhaupt nicht an eurem Gespräch beteilig habe? Doch nur, um nichts Falsches zu sagen.« Der Professor tätschelte ihren Oberschenkel. »Kluges Kind. Das war genau richtig. Was hat dich stutzig an ihm gemacht?«
»Na ja — einiges. Erst einmal, daß er plötzlich wieder da war. Dann diese Sache mit dem Gangstertyp. Klang nicht sehr überzeugend in meinen Ohren. Außerdem hat er sich nicht mal nach seinen Briefen erkundigt, die wir gestern aus seiner Wohnung mitgenommen haben.«
»Ganz richtig, das war nicht der André d’Avallon, den wir kennen.«
»Du glaubst, er stand unter hypnotischem Einfluß? So wie ich in der vergangenen Nacht?«
»Nein«, sagte Zamorra, »das glaube ich nicht.«
»Sondern?«
»Der Mann, mit dem wir gesprochen haben, war gar nicht André d’Avallon! es war ein Surrogat, ein Dämon vielleicht.«
»Oh!« Nicole biß sich auf die Lippen. »Woher willst du es wissen, Chef?«
»Ganz einfach. André d’Avallon ist ein Telepath. Der Bursche in seinem Apartment aber nicht. Ich habe ein paar unverschämte Beleidigungen in Gedanken formuliert, die niemand ohne jede Reaktion schlucken würde. Er aber hat es getan. Und dann die Sache mit meinen Cognacgelüsten, die er angeblich in meinen Gedanken gelesen hat. Nicht einen Sekundenbruchteil habe ich an Cognac gedacht. Er hat also geflunkert. Ein Gutes hat die Tatsache natürlich, daß wir es nicht mit einem Telepathen zu tun hatten. Was ich wirklich vorhabe, kann niemand wissen.«
»Und was hast du vor? Zurück nach Château de Montagne? Und was ist mit dem richtigen André d'Avallon? Und vor allen Dingen — was ist mit deinem Amulett?«
»Ich wollte den falschen d'Avallon in Sicherheit wiegen. Ich wollte ihn glauben machen, daß ich die Dämonen wirklich nicht mehr mit der Person des Telepathen in Verbindung bringe. Es dürfte mir einigermaßen gelungen sein. Falls die Gegenseite aber noch Zweifel hat, wird sie uns weiter unter Beobachtung halten. Soll sie! Wir werden jetzt hübsch nach Hause zurückfahren und mehrere Tage auf dem Schloß bleiben. In dieser Zeit werden wir uns keinen Deut um André d'Avallon kümmern. Ein heimlicher Beobachter wird das registrieren. Und dann, wenn sein Argwohn dahingeschwunden ist…«
»Ja, was dann?«
»Fahren wir nach Limaux!« sagte der Professor.
***
Drei Tage warteten Zamorra und Nicole auf dem Château. Sie gingen ganz alltäglichen Tätigkeiten nach. Der Professor arbeitete an seinem neuen Buch, telefonierte mit seinem Verleger und verschiedenen Zeitungsredaktionen und traf fernmündliche Vorbereitungen für eine geplante Vortragsreise. Nicole nahm ihre Sekretärinnenrolle wahr, telefonierte und erledigte anfallende Korrespondenz.
Auch im rein privaten Bereich verhielten sich die beiden ganz normal. Zweimal aßen sie im Restaurant Louisdor zu Abend, wie sie es auch sonst immer taten. Und auch den regelmäßigen Besuch bei ihren Nachbarn, dem Großgrundbesitzer Lucien de Marteau und seiner Frau Denise, ließen sie nicht aus.
Dämonen oder sonstige Beobachter fielen ihnen nicht auf. Dennoch zweifelte Zamorra eigentlich nicht daran, daß sie in der Nähe waren. Sein Gefühl
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