0103 - Ich - der Mörder Jerry Cotton
er?«
Er zuckte die Achseln und sagte:
»Ich weiß es nicht. Aber heute nachmittag um fünf werde ich es wissen.«
»Wieder hier?«
»Ja.«
»Danke. Was —?«
»Nichts. Die Auskunft kriegen Sie umsonst. Für die schöne Sache eben,«
Ich tippte mit dem Zeigefinger an die Hutkrempe und stand auf. Stöhnend rappelte sich gerade mein Gegner hoch. Manchmal demolieren solche Leute hinterher ein ganzes Lokal, sobald ihr Gegner verschwunden ist. Um dem Wirt das zu ersparen, blieb ich stehen.
Er kam hoch. Er sah mich aus blutunterlaufenen Augen an. Kaum hatte er mich erkannt, da wimmerte er:
»Nicht mehr, Sir! Nicht mehr!«
Ich zuckte die Achseln.
»Wenn Sie hier noch irgendwem Schwierigkeiten machen, werde ich Sie finden. Dann geht es Ihnen schlechter als eben.«
Wortlos drehte ich mich um und ging zur Tür. Schon wollte ich den Vorhang vor der Tür beiseiteschieben, da rief Lordes:
»Hallo, Rothaut!«
Ich drehte mich um.
»Sie haben Ihre Flasche vergessen!« Bevor ich etwas erwidern konnte, rief mir der Barkeeper nach:
»Bitte, Mister, nehmen Sie sie mit!« Ich grinste.
»Okay.«
Noch einmal schob ich mich zwischen den Tischen hindurch zu Lordes. Als ich mich verbeugte und nach der Flasche griff, flüsterte Lordes:
»Gut gemacht, Cotton. Keine Angst, ich verpfeife Sie nicht. Sie imponieren mir. Um fünf, vergessen Sie es nicht…«
Als wäre ich ihm völlig gleichgültig, griff er nach einer Zeitung und faltete sie auseinander. Ich nahm die Flasche und ging.
***
Sie setzten sich in eine Ecke, wo sie unbelauscht miteinander sprechen konnten.
»Kaffee?« fragte Phil.
Der Fahrer nickte.
Phil bestellte. Sie warteten, bis das aromatische Getränk vor ihnen stand. Dann beugte sich Phil vor und sagte:
»Erzählen Sie mal, was Sie von der Geschichte wissen!«
Der junge Mann zögerte.
»Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll«, sagte er. »Also das ist nämlich so: Wir fahren —«
»Wer ist wir?« unterbrach Phil.
»Die Spedition, die meinem Vater gehört.«
»Aha. Gut. Weiter.«
»Also wir fahren täglich — außer Samstag und Sonntag — morgens um sieben und abends um sieben zwei Ladungen Maschinenrohteile zur weiteren Verarbeitung von Bronx zu Brison in Manhattan, wo ich eben war. Die Firma hat nicht genug Laderaum, deswegen müssen wir sie täglich zweimal beliefern. Mehr können die nicht lagern.«
»Verstehe«, sagte Phil. »Und dasselbe geschah also auch am vergangenen Montag?«
»Ja. Nur hätte ich diese Fuhre machen sollen. Aber bei der Rückfahrt von der vorangegangenen Tour mußte ich durch die Straße, in der mein Mädchen wohnt. Ja, natürlich habe ich die Gelegenheit ausgenutzt und bin einen Sprung zu ihr rauf.«
»Und da dauerte es länger, als Sie sich vorgenommen hatten?«
Der Fahrer grinste schwach.
»Sie haben Verständnis für sowas, nicht? Na ja, jedenfalls haben Sie recht. Ich mußte mit Abendbrot essen. Die Eltern von meinem Mädchen ließen mich einfach nicht gehen, wissen Sie? Ich blieb zum Essen. Ich dachte mir gleich dabei, Vater wird eben Tonio schicken, wenn ich nicht rechtzeitig zurückkomme. Wir Brüder springen immer füreinander ein. Das ist eben so. Es gleicht sich am Ende immer irgendwie aus.«
Phil nickte nur. Er sagte nichts, weil er den Redefluß des Mannes nicht unterbrechen wollte.
»Es kam auch so«, fuhr der Fahrer fort. »Tonio mußte fahren. Wie es nun weitergeht, weiß ich von dem Arbeiter, der immer die Ladung annimmt. Der im Tor stand, als ich ihm die Brocken zuwarf, wissen Sie?«
»Ja, ich habe ihn gesehen.«
»Das ist derselbe, der auch Tonios Ladung an dem Abend annahm. Der erzählte mir, wie das an dem Abend vor sich ging…«
Er machte eine Pause und schluckte gedankenabwesend ein bißchen von dem Kaffee. Dann hielt er seine Tasse erhoben und sah in die dunkle, duftende Flüssigkeit. Seine Worte kamen stockend, leise und oft erst nach langem Überlegen:
»Es geht ein bißchen durcheinander, weil ich alles erst mühsam erfragen mußte… Man interessiert sich doch für die letzten Stunden seines Bruders, nicht wahr…? Also Tonio rollte mit der Ladung an und wurde schon sehnlichst erwartet. Sie luden ab wie immer. Als sie fast fertig waren, fuhr so ein flotter Wagen in die Einfahrt, ein ausländischer Sportwagen oder sowas Ähnliches, der Arbeiter weiß es nicht mehr.«
»Ein Jaguar«, murmelte Phil »Ja, das ist möglich. Jedenfalls saßen zwei Männer drin. Einer stieg aus und ging nach vorn. Der andere blieb noch eine Weile im
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