0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
wurfbereit über den muskulösen Schultern. Kim Lisöjn zweifelte keine Sekunde daran, daß diese Männer auch treffen würden.
War es im Prinzip nicht egal, woran man starb, wenn der Tod nun schon mal unumgänglich war?
Kim konnte sich selbst in diesem Zusammenhang Angenehmeres vorstellen, als von einer Lanzenspitze durchbohrt zu werden.
Da er die Arme und Hände wieder gebrauchen konnte, kümmerte er sich auch nicht weiter um Narko, der ihn mit einer Gier anstarrte wie vorher die Ratten im Verschlag.
Kim Lisöjn schaufelte sich den Teller voll und nippte auch an den Trinkgefäßen, die die Frauen bereitgestellt hatten. Das Gesöff schmeckte süßlich und klebrig. Doch es berauschte ihn auch ein wenig. Zumindest brauchte er nicht nüchtern von der Bühne dieser Welt abzutreten. Das machte sein Los erträglicher, wie es ihm schien.
Auch Narko beteiligte sich nach einigem Zögern an dem Mahle. Hatte er erwartet, daß Kim Lisöjn ihn winselnd um Gnade anflehen würde?
Der Finne schwedischer Abstammung war nicht der Mann dafür. »Keinen Appetit mehr, Narko?« fragte er und äffte ihn nach. »Greif doch zu! Tu dir keinen Zwang an! Es ist reichlich da.«
***
Nicole hatte Lisöjns kleines Haus am Seeufer tatsächlich und ohne weiteres Murren zusammen mit Astrid Läla verlassen. Doch gerade ihre scheinbare Nachgiebigkeit war es, die Zamorra beunruhigte. Nicole war normalerweise nicht das Mädchen, das so leicht aufgab.
Und bisher hatte sie Zamorras Bemühungen, sie aus der ersten Gefahrenzone zu ziehen, in fast allen Fällen erfolgreich sabotiert. Aber wie schon angedeutet: Nicoles Launen waren ebenso leicht vorauszusehen wie das Wetter des nächstes Jahres. Vielleicht hatte sie sich auch nur daran erinnert, daß ihr hübscher Einkaufsbummel in Paris geplatzt war, weil Zamorra wieder einmal auf Dämonenjagd gehen wollte, und gab ihm jetzt aus unerfindlichen Gründen die Schuld daran, daß es einmal nicht nach ihrem Köpfchen gehen sollte.
»Sie ist ganz einfach sauer«, murmelte Zamorra vor sich hin, ohne sich dessen bewußt zu werden, daß er laut gedacht hatte. Nur zu gern schob er dieses Problem von sich. Er hatte bei Gott Wichtigeres zu tun, als Erklärungen für Nicoles Betragen zu erfinden, die sich dann doch als haltlos erweisen würden.
Er überflog noch einmal die Skalen der Apparate, die sich wie eine schwarze, an manchen Stellen chromblitzende Mauer vor ihm aufbauten. Zamorra hatte nicht an einem einzigen Knopf gedreht. All die Geräte mußten noch genauso eingestellt sein, wie Kim Lisöjn sie in der Vornacht justiert hatte. Zamorra hatte lediglich das abgelaufene Tonband gegen ein neues ersetzt und sich den Inhalt des anderen eingeprägt, daß er ihn nie mehr vergessen würde. So wenig wie die Zeilen des Briefes, den Kim Lisöjn ihm geschickt hatte. Blieb ihm nur noch zu hoffen, daß auch er den Kontakt mit diesem Wesen aus der Vergangenheit hersteilen konnte.
Auch wenn der Schädel nicht mehr an die verschmorten und geschmolzenen Antennendrähte angeschlossen war, die noch Kim Lisöjn daran installiert hatte.
Professor Zamorra vertraute auf seine persönliche Ausstrahlung und auf sein Amulett, das ihm schon bei schwierigeren Situationen sehr dienlich gewesen war. Dazu kam eine in langen Jahren erworbene Praxis im Umgang mit Wesen aus dem Zwischenreich. Nein - er hatte nicht eigentlich Angst vor jenem unbekannten Wesen, wenngleich er nicht überheblich genug war zu verleugnen, daß ihm dennoch ein wenig mulmig bei der ganzen Angelegenheit war.
Das war nur zu verständlich, denn man wußte vorher nie so recht, was einen hinterher wirklich erwartete. Manchmal schlug das Schicksal die tollsten Kapriolen.
Professor Zamorra übte noch ein wenig mit der ihm ungewohnten Sendeanlage. Bisher sandte er die von ihm geschaffene Beschwörungsformel noch ohne Strom hinaus in den Äther. Er sprach auf schwedisch in tote Mikrophone und bemühte sich, den altertümelnden Dialekt der unbekannten Wesenheit nachzuahmen. Nur für alle Fälle.
Dann ging er auf Sendung.
***
Die belebende Wirkung des Surijns, des Hexenkrauts, hatte eingesetzt. Für Kim Lisöjn kam diese Belebung einem rauschähnlichen Zustand gleich, unterstützt von dem Honigwein, den er nicht zu knapp in sich hineingeschüttet hatte.
Er spürte ein warmes Gefühl im Magen, war jedoch noch nüchtern genug, um zu erkennen, daß mit dem Abschluß des Mahls seine Gnadenfrist endgültig verstrichen war.
Mit einem tiefen, satten Seufzer schob er die
Weitere Kostenlose Bücher