0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
Tonschale von sich, die ihm als Teller gedient hatte.
»Muß ich mich jetzt bedanken?« fragte er mit einem anzüglichen Grinsen um die Mundwinkel. Narko hatte nicht einmal die Hälfte von dem, was er geschluckt hatte, in den Magen bekommen. Ihm war anzusehen, daß er sehr nervös war.
Immer wieder strich er sich durch sein glattes, langes, schwarzes Har, das er mit Sicherheit nicht mit Fischtran pflegte. Kim Lisöjn tippte auf Birkenöl.
Dadurch, daß Kim ruhig geblieben war, hatte er den Magier Narko aus der Ruhe gebracht, und dieser Umstand bereitete Kim Lisöjn jetzt ein makabres Vergnügen.
Kim gehörte zu den wenigen Menschen, die angesichts ihres Todes noch echten Humor aufbrachten. Sehr schwarzen Humor allerdings.
Galgenhumor…
Auch wenn er kaum zu einem Galgen geführt werden würde. Wollte man ihn auf einen Opferstein zerren?
Kim war selbst das egal. Er hatte schon vor Stunden mit seinem Leben abgeschlossen, und das verlieh ihm jetzt jene innere Festigkeit, die Narko so nervös machte.
»Du hast nicht geantwortet«, fuhr Kim Lisöjn grinsend fort. »Nicht mehr in Stimmung, eh? Dabei dachte ich, du wärst jetzt endlich am Ziel deiner Wünsche.«
»Bin ich auch«, kam es gekeucht.
Narko schnippte mit den Fingern. Sofort bauten sich drei Mann hinter und neben Kim Lisöjn auf, drückten ihm Schwertspitzen in die Nierengegend und an das Rückgrat. Kim fühlte, wie die scharfen Schneiden mühelos das Bärenfell durchdrangen, das sie ihm zum Schutz vor Kälte um die Schultern gelegt hatten. Die, Feuer waren beinahe heruntergebrannt, weil niemand es für notwendig erachtet hatte, einige Stämme nachzulegen.
Auch wenn es Kim Lisöjn inzwischen erheblich besserging - auf eigenen Beinen konnte er immer noch nicht stehen. Er wurde von seinem Hocker hochgezerrt. Ein Blick auf seine angenagten Zehen zeigte ihm, daß sie zu bluten begonnen hatten. Einen Schmerz fühlte er immer noch nicht. So ungefähr muß es bei den Querschnittgelähmten sein, dachte er noch, als die drei Fenna ihn vom Tisch weg- und auf den Bau in der Mitte des Wehrdorfes zuschleppten. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, daß Narko ihnen folgte. Mit gemessenen Schritten.
Er trug ein weitfallendes, wallendes Gewand, nicht unähnlich dem, das Kim Lisöjn an ihm in der Vornacht entdeckt hatte. Die Stickereien am Saum sah er erst jetzt. Vorher waren sie von der Tischplatte verborgen gewesen.
Das Muster ähnelte stark dem, das sich auch an den Simsen des Mittelbaus befand. Ineinanderverflochtene Runen. Altgermanische Schriftzeichen, wie man sie auf Findlingen auch in der Nähe von Stonehenge entdeckt hatte und deren Bedeutung bis knapp zur zweiten Jahrtausend wende noch kein Wissenschaftler hatte entziffern können.
Ungelöste Rätsel.
Kim Lisöjn ließ sich willenlos abschleppen. Er war fertig mit seinem Leben, das so ganz anders verlaufen war, als seine Eltern sich das vorgestellt hatten.
Eine Lehre als Kaufmann im elterlichen Betrieb, ein paar Jahre Studium der Wirtschaftswissenschaften. Kim Lisöjn hatte all diese gutgemeinten Ratschläge in den Wind geschlagen, Physik und Psychologie belegt, eine Kombination, die in sich schon widersinnig war. Für ihn jedoch war sie die geeignete gewesen. So wurde es ihm ermöglicht, seinem Hobby nachzugehen, dem er schon von Jugendjahren an gefrönt hatte. Kaufmännisches Denken ging ihm völlig ab.
Es war besser so, was er gemacht hatte, dachte er, und er dachte auch an sein Testament, das er hinter der Küchenuhr verborgen hatte und in dem er Astrid Läla als seine Alleinerbin bestimmte.
In diesen Augenblicken bereute er es, manchmal so schroff zu ihr gewesen zu sein. Sie hätte gerade von ihm eine bessere Behandlung verdient gehabt. Dunkel wurde ihm klar, daß er seine Astrid mehr liebte als all seine Experimente.
Vorbei…
Das helle Rechteck des Mittelbaus schnitt einen genau umrissenen Quader aus der Dunkelheit des Fennadorfes.
Die Männer, die ihn hielten, blieben stehen, ließen Narko an sich vorbei und senkten die Blicke zur Erde, während er auf die Öffnung zuschritt. Den Kopf mit dem Helm hoch erhoben.
Er hatte etwas Majestätisches an sich, dieser Narko. Kim Lisöjn konnte das nicht ableugnen. Er war selbst beeindruckt von diesem Mann, von dem er immer noch nicht wußte, was er nun in Wirklichkeit war: Ein Dämon oder ein Mensch.
Oder ein Mensch, der sich anschickte, zum Dämon zu werden.
Ein paar Sätze tauchten aus Kim Lisöjns Gedächtnis.
Narko hatte es darauf angelegt,
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