0104 - Nur ein Greenhorn
wurden sie bereits erwartet. Etwa dreißig Eingeborene lösten sich hinter den Bäumen. Sie trugen lanzenähnliche Waffen. Ihr Anführer stellte sich Cora und John in den Weg. Er hob seine Lanze. „Wir haben Geschenke für euch”, sagte Pincer freundlich. „Ihr müßt dafür nichts weiter tun, als uns durchzulassen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.” Einmal mehr mußte John Edgar Pincer seine Vorstellung, daß das Universum nur von friedliebenden Wesen gleich ihm bevölkert wurde, revidieren. Der Eingeborene zeigte dem jungen Mann auf sehr drastische Art, was er von Geschenken hielt. Er schwang seine Lanze und rammte sie direkt vor Pincer in den Boden. „Er sieht wütend aus”, flüsterte Cora ängstlich. Pincer drückte ihre Hand. Mit entwaffnender Selbstverständlichkeit zog er die Waffe aus der Erde und betrachtete sie neugierig.
Psychologisch gesehen hielt er dieses Vorgehen für richtig. Aber das war es nicht. Die Hälfte der Eingeborenen fielen über sie her und fesselten sie mit Stricken. Pincer, der in seiner Verschnürung noch dünner aussah, rief seiner Frau ermutigende Worte zu.
Innerlich gestand er sich ein, daß sie die weite Strecke umsonst zurückgelegt hatten. Sie waren den Springern entkommen, aber nur auf Kosten einer Gefangennahme durch primitive Eingeborene, die offensichtlich nicht weniger kriegerisch waren als die Galaktischen Händler. Je vier der Vogelwesen schleppten Pincer und seine Frau in das Innere des Waldes. Für Pincer war das lange gesuchte kosmische Abenteuer endlich Realität geworden.
Jetzt aber, da er am eigenen Leibe spürte, wie gefährlich das war, kamen ihm seine jugendlichen Wünsche der Vergangenheit ziemlich dumm vor. ‚Jeder Mann sollte nur das tun, wozu er bestimmt ist’, dachte Pincer mutlos.
Das war zweifellos richtig. Wozu aber war John Edgar Pincer bestimmt, dem das Pech an den Füßen klebte? Wäre der Sohn des mächtigen Archibald Pincer Philosoph gewesen, hätte er vielleicht eine Erklärung gefunden. Aber er war nur ein hilfloser, junger Mann, der in eine verzwickte Maschinerie geraten war.
Seine Gedankenkette wurde unsanft zerrissen, als ihn die Vogelwesen einfach auf den Boden fallen ließen. Zwischen den Bäumen war ein großer Platz, der von Laub gesäubert war. Der Boden war festgestampft. In den Ästen der ringsum stehenden Bäume sah Pincer unzählige Baumhütten, vor denen weitere Eingeborene hockten oder standen und die Ankommenden mit mörderischem Geschrei begrüßten. Cora und John wurden in die Mitte des freien Platzes getragen und dort wiederum auf die nackte Erde gelegt. Um sie herum versammelten sich die Dorfbewohner. „Kannst du dir vorstellen, was sie mit uns tun werden, Johnny?” fragte Cora und versuchte ihren zusammengeschnürten Körper so herumzuwälzen, daß sie Pincer in das Gesicht sehen konnte. Pincers Phantasie war ausgeprägt genug, so daß er eine ganze Menge davon erahnte, was ihnen die nächsten Stunden bringen würden. Nichts davon war jedoch für das Ohr einer Frau geeignet - schon gar nicht für eine Frau, die man liebt. So sagte Pincer nur: „Ich weiß es nicht.” Ein einbeiniger Eingeborener hinkte auf sie zu. Er war alt und stützte sich auf einen Stock. Sein Intergalaktisch war einwandfrei. „Wo kommen Sie her?” wollte er wissen. „Von der Erde”, sagte Pincer und benutzte dabei das intergalaktische Wort für den dritten Planeten von Sol. Der Alte stützte sich auf sein gesundes Bein und richtete den Stock gegen den Himmel. Die Menge hinter ihm schwieg respektvoll. „Von dort?” fragte er. „Ja”, sagte Pincer, „von dort.” „Habt ihr weißes Pulver dabei?” erkundigte sich der Eingeborene.
Zum erstenmal sah Pincer so etwas wie Gier in seinem Verhalten.
,Der arme Kerl ist rauschgiftsüchtig’, dachte er entsetzt. Sein Mitleid mit diesem praktisch hilflosen Wesen besiegte sein Mißtrauen. Es gab sicher eine Möglichkeit, dem Alten und anderen Süchtigen zu helfen. „Das Pulver ist schädlich”, rief er der Menge zu, obwohl ihn außer dem Alten sicher niemand verstand. „Ihr dürft es nicht nehmen. Man wird davon krank und stirbt.” Der Vogelgreis schlug ihm mit dem Stock gegen die Brust. Er war so alt, daß der Schlag keine Kraft besaß, aber Pincer war mehr über die geistige Grundhaltung dieses Wesens schockiert als über seinen Angriff.
Hier war das Böse. Und das Schlimme daran war, daß es durch irdische Gifte erzeugt worden war. Pincer fühlte eine tiefe Scham.
Welcher
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