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0104 - Portaguerra

0104 - Portaguerra

Titel: 0104 - Portaguerra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wunderer
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Minuten gab ich Will Mallmann und seinen Landsleuten absolut recht.
    »Weiter!« rief ich Shaun zu. »Ich muß wissen, was aus dem Reporter geworden ist!«
    Er nickte und fletschte die Zähne wie ein hungriger Wolf. »Sie müssen es ja wissen, John!«
    Er kletterte rasch und vorsichtig. Von Zeit zu Zeit rief er mir eine Anweisung zu oder machte mich auf eine besonders gefährliche Stelle aufmerksam.
    Es ging besser, als ich anfangs gefürchtet hatte. Mit Shauns Hilfe überwand ich sogar ein Stück, auf dem meine Finger und die Schuhspitzen nur noch in schmalen Rissen oder auf winzigen Vorsprüngen Halt fanden.
    »Nicht nach unten sehen, John!« warnte Shaun, als ich für einen Moment ausruhte und den Kopf drehte. »Das ist die Grundregel, die du dir merken mußt!«
    Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, daß er mich so vertraulich anredete, wenn er mich nur heil zu der »Nase« und auch wieder zurückbrachte.
    »Ist es noch weit?« rief ich ihm zu.
    »Nein, aber deshalb darfst du nicht leichtsinnig werden! Eine falsche Bewegung, und du saust fünfhundert Meter wie ein Stein in die Tiefe!«
    »Vielen Dank, du machst mir richtig Mut«, erwiderte ich. »Weiter!«
    Zehn Minuten später waren wir am Ziel. Mir kam es wie zehn Ewigkeiten vor. Shaun stand schon auf dem Felsplateau und streckte mir die Hand entgegen. Ich war schweißgebadet.
    »Das war erst der einfachste Schwierigkeitsgrad«, versicherte Shaun. »Das schafft jeder.«
    »Bist du da so sicher?« erkundigte ich mich zweifelnd. »Wie geht es von hier aus weiter?«
    »So schwierig, daß du auf keinen Fall auch nur einen Versuch wagen darfst.« Das kernige Grinsen schwand aus seinem Gesicht.
    »Die weiteren Wege könnten nur die Lerois-Brüder schaffen. Und ich, in aller Bescheidenheit.«
    »Und Raoul Gasconne?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nur, wenn er Selbstmord begehen will.«
    Ich sah mich um. Der Felsen war nicht groß, und verstecken konnte sich hier auch niemand. »Aber wo ist er dann? Auf einer anderen Route wieder nach oben gestiegen?«
    Shaun winkte ab. »Bestimmt nicht.« Er legte sich auf den Boden und schob sich bis an die Kante vof, musterte die Wand unter uns und richtete sich kopfschüttelnd wieder auf. »Da unten ist er jedenfalls nicht… höchstens ganz unten.«
    »Du meinst, er ist abgestürzt?« fragte ich erschrocken, obwohl das eigentlich die logische Folgerung war.
    »Sieht ganz so aus.« Shaun deutete auf die Stelle, an der ein schmaler Grat weiterlief und nach einem scharfen Knick um die nächste Felskante verschwand. »Was ist das?«
    Ich stand näher. Deshalb sah ich es mir an.
    Auf den ersten Blick wirkte der Gegenstand wie eine Handtasche. Als ich mich bückte und ihn aufhob, erkannte ich einen zerschmetterten Fotoapparat. Ich zeigte ihn Shaun.
    »Da ist auch noch das Blitzgerät«, stellte ich fest. »Das Objektiv ist gebrochen.«
    Shaun preßte die Lippen aufeinander und schlug ein Kreuz.
    »Dann sehen wir Raoul Gasconne nicht mehr«, prophezeite er.
    »Raoul ist abgestürzt.«
    Schaudernd preßte ich mich an die Felswand. Bei dem Gedanken, daß der Reporter ein geübter Bergsteiger gewesen war und nun trotzdem irgendwo am Fuß der Wand seine zerschmetterte Leiche lag, ließ mich frösteln.
    »Ich nehme die Kamera, John, du brauchst beide Hände für den Aufstieg.« Shaun deutete nach oben. »Und jetzt ab mit dir! Wenn uns die Dunkelheit in der Wand überrascht, verbringen wir eine ungemütliche Nacht!«
    Darauf hatte ich keine Lust. Ich machte mich hastig auf den Rückweg und schwor mir, auf keinen Fall ein zweites Mal in diese Wand einzusteigen.
    ***
    Es war nicht Janes Art, anderen die Arbeit zu überlassen. Sie wollte zwar um keinen Preis der Welt in der Todeswand herumklettern, aber unter Umständen konnte sie im Hotel auch einige interessante Dinge erfahren.
    Die Kälte steckte ihr noch in allen Knochen. Nachträglich bereute sie, nicht sofort auf Shauns Ratschläge gehört und sich wärmer angezogen zu haben.
    Als sie die Halle betrat, standen Gäste an der Rezeption und sprachen mit Madame Lerois. Jane wollte nicht stören und durchstreifte auf eigene Faust die Räume im Erdgeschoß.
    Im Speisesaal war um diese Zeit – sechs Uhr abends – kein Mensch. Die Tische waren bereits sorgfältig gedeckt, die kunstvoll gerollten Servietten aus rotem Stoff wie Kegel aufgestellt, zwei Gläser an jedem Platz, dazu zierliche Vasen mit Blumen.
    Jane wunderte sich, woher die Rosen und Nelken kamen. Hier oben auf dem Col du Lauterset

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