0104 - Portaguerra
Donnerstimme.
Fünfzig Schritte von mir entfernt prallten die beiden Männer zusammen. Shaun schwang seine Fäuste und wollte den anderen packen, aber wie von einer Feder getrieben flog er ein Stück zurück und stürzte schwer. Reglos blieb er liegen. Der andere aber ging nicht etwa weiter, sondern griff meinen Bergführer an.
»He!« schrie ich, um ihn von Shaun abzulenken, doch es gelang mir nicht.
Mein rechter Fuß prallte auf einen vorstehenden Stein. Ich stieß mich ab und schnellte mich auf den Angreifer, packte ihn an den Schultern und wirbelte ihn herum.
Noch aus der Drehung heraus schlug er nach mir und erwischte mich am Kinn. Zu meinem Glück landete der Treffer nicht genau auf dem Punkt, sonst hätte ich mich neben Shaun schlafen gelegt, aber die Faust schrammte an meinem Kopf entlang und riß ihn mir fast ab. Gleichzeitig strömte eine eisige Kälte auf mich über.
Sie strahlte von dem Angreifer aus!
Ich wußte sofort, daß ich es mit einem höllischen Wesen zu tun hatte. Mit bloßen Fäusten konnte ich da nichts ausrichten. Aber meine Beretta steckte im Schulterhalfter unter meinem Anorak, und das Silberkreuz war zusätzlich durch einen dicken Pullover und das Hemd verborgen. Ich hätte mich selbst in Sicherheit bringen und meine Waffen hervorholen können, doch bis dahin mußte es Shaun schlecht ergehen. Er war bei seinem schweren Sturz mit dem Kopf gegen einen Stein geknallt, so daß er sich noch immer nicht rührte.
Langsam machte ich mir um ihn ernste Sorgen.
Der Kerl vor mir war von Kopf bis Fuß vermummt. Er steckte in einer ähnlichen derben Kluft wie Shaun und ich selbst, hatte jedoch die Kapuze tief in das Gesicht gezogen und zugebunden. In der kaum faustgroßen Öffnung glaubte ich, ein gefährliches Funkeln zu sehen, doch ich konnte ihn nicht länger betrachten. Er hielt nämlich nicht still, sondern wollte erneut Shaun an den Kragen.
Ich ballte eine Doppelfaust, nahm Anlauf und rammte aus dem Sprung heraus dem Mann beide Fäuste gegen den linken Oberarm.
Höllisches Wesen oder nicht, gegen diese Kraft konnte er nichts machen. Er kippte zur Seite und rollte ein Stück über den unebenen Abhang.
Das gab mir die nötige Zeit. Ich stellte mich zwischen Shaun und den Unbekannten und zerrte den Reißverschluß meines Anoraks auf. Hastig griff ich unter mein Hemd.
Noch ehe ich das Silberkreuz hervorzog, gellte drüben im Hotel ein Schrei. Eine Frau rief etwas, gleich darauf ein zweiter Schrei!
Es lenkte mich ab, und das rächte sich. Der trockene Schlag donnerte gegen mein Brustbein, daß augenblicklich die Luft aus meinen Lungen entwich. Ich schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen und riß instinktiv die Arme über den Kopf.
Der Aufprall rüttelte mich durch. Jeder Knochen in meinem Körper schien zu brechen, als ich ein Stück den Abhang hinunterrollte.
Panik ergriff mich. In der Dunkelheit sah ich nicht, wohin ich fiel.
Wie weit war es bis zur Steilwand?
Mit einem Aufschrei riß ich die Arme weit auseinander und fing mich ab. Vorsichtig hob ich den Kopf und blickte hinter mich.
Keine zehn Schritte weiter gähnte mir tiefe Schwärze entgegen.
Keuchend kam ich auf die Beine und hetzte aus der Nähe des tödlichen Abgrundes.
Shaun hatte sich auch wieder aufgerafft und rang erbittert mit dem Unbekannten.
Im Laufen zog ich mein Silberkreuz hervor und hob es hoch.
Feines Leuchten strahlte davon aus, ein sicheres Zeichen, daß es mit bösen Kräften der Hölle zusammenprallte.
Shaun taumelte stöhnend zurück. Der Angreifer aber stand ganz still und griff sich an den Kopf.
Mit einem Ruck riß er die Kapuze in den Nacken.
Ich sah ein menschliches Gesicht, dunkle Haut, dunkle Augen, schwarze krause Haare. Scheinbar alles normal!
Doch als ich näher kam, biß ich die Zähne zusammen. Das Silberkreuz strahlte jetzt so hell, daß es die fremde Gestalt beleuchtete.
Die Schuhe hingen nur mehr in Fetzen an den Füßen, das Leder hatte sich aufgelöst. Die Hose war zerschlissen und aufgerissen, das linke Hosenbein fehlte vom Knie abwärts vollständig. Pullover und Anorak hielten kaum noch zusammen.
Shaun schrie vor Grauen auf. Mir krampfte sich der Magen zusammen, die Luft wurde mir knapp.
Der Mann war von entsetzlichen Wunden entstellt. Kein Mensch konnte sich in diesem Zustand auf den Beinen halten.
Auch das Gesicht war nicht verschont geblieben. Sogar der Kopf hatte seine ursprüngliche Form verloren.
Ich kannte diesen Mann nicht, aber ich wußte, daß Shauns Verdacht
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