0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett
Angst, ich würde verkommen, aber Milly verkommt nicht. Dazu ist sie zu klug.«
»Hoffentlich.« Ich konnte nicht behaupten, dass ich die Art des Mädchens sonderlich schätzte, und seine Unentbehrlichkeit, was ihren Chef anbetraf, kam mir etwas merkwürdig vor.
»Wir sehen uns noch, Jerry, ich muss mich auf die Strümpfe machen.«
Damit wischte es hinaus.
Phil grinste bedeutsam und folgte der Kleinen.
Es ging mir so allerhand durch den Kopf, und wie immer, wenn ich in dieser Stimmung bin, besuchte ich den alten Neville.
Natürlich erzählte ich ihm von Millys Besuch, und als ich gerade im besten Zug war, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, sie nach ihrer Adresse zu fragen. Ich ließ Neville allein und rannte nach dem Aufzug. Unten in der Halle stand Phil und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Ist das Mädchen weg?«, fragte ich, und als er nickte. »Du hättest auch daran denken können, dich zu erkundigen, wo es wohnt.«
»Warum sollte ausgerechnet ich das tim. Ich wälze ganz andere Gedanken.«
»Das wird schon was Rechtes sein«, sagte ich.
»Ich weiß nicht, ob es etwas Rechtes ist, aber Milly fährt neuerdings einen neuen Mercury, eine Kiste, die ihre 5000 Dollar gekostet haben muss.«
»Sie wird ihn geliehen haben, um anzugeben.«
»Dann hat sie gelogen. Sie behauptete, der Wagen gehöre ihr, und ich überlege mir nun schon fünf Minuten woher sie das Geld dazu hat.«
»Also doch Hunt.«
»Glaube ich nicht.«
»Na ja«, meinte ich, »wir müssen es herauskriegen. Ich selbst kann mich dort nicht sehen lassen. Hunt kennt mich und seine rechte Hand ebenfalls. Außerdem könnte Milly zufällig da sein, um zu beweisen, dass sie unentbehrlich ist. Ich vermute, der gute Pete hatte allen Grund sich Sorgen um sein Schwesterchen zu machen.«
»Dann kann ich mich ja einmal dort umsehen. Ich gehe mit einer seiner Tippmamsells aus. Oder soll ich es mit dieser Carol Hall probieren? Das dürfte ja die beste Quelle sein.«
»Lass die Finger von der. Die ist zu durchtrieben.« Ich warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Wollen wir zusammen essen gehen? Dann kannst du dich bei der Fruit Cie, anbiedern.« Mir fiel etwas ein. »Ich will dir nicht aufs Füßchen treten, aber dieser Pullham interessiert mich. Ich hätte große Lust, ihn einmal zu besuchen. Ehrlich gesagt, glaube ich den Schwindel nicht, den er verzapft hat. Ich werde ihm auf den Zahn fühlen.«
Wir verließen das Districtsgebäude und gingen in die nächste Snack Bar, und da hatte ich wieder eine Erleuchtung. Wenn einem etwas gestohlen wird, so wendet man sich im Allgemeinen an die Polizei. Erst wenn diese versagt, bemüht man einen Privatdetektiv. Ich ging in die Telefonzelle und ließ mich mit dem Diebstahldezernat der Stadtpolizei verbinden.
»Hier ist Cotton. Sie kennen mich ja, Sergeant«, sagte ich. »Haben Sie in den letzten Wochen von der Speditionsfirma Pullham, Harrison Street, eine Anzeige bekommen?«
»Nicht eine, sondern drei. Sie wissen ja, wie im Hafen gestohlen wird.«
»Und was geschah damit?«
»Wir haben in allen drei Fällen die Diebe erwischt. Es waren eigentlich nur Kleinigkeiten, aber Pullham schreit immer sofort Feuer, wenn einer gemopst hat.«
»Eine unerledigte Anzeige liegt also dort nicht vor?«
»Nein, aber seit wann kümmert sich das FBI um solche Nichtigkeiten?«
»Seit heute«, sagte ich. »Vielen Dank, Sergeant.«
Jetzt war ich sicher, dass Pullham gelogen hatte. Bei seinem Auftrag an Pete hatte es sich um keinen Diebstahl gehandelt.
Wir machten uns also auf die Socken, Phil zur Fruit Cie., und ich hinunter zum Hafen.
Heute trug Mr. Pullham nicht den prächtigen Schlafrock, den mein Freund mir beschrieben hatte, sondern einen hellen Tweedanzug. Er empfing mich stehend mit beiden Händen in den Hosentaschen und schien von meinem Besuch durchaus nicht entzückt zu sein.
»Schon wieder ein G-man? Sie scheinen ja viel Zeit zu haben«, knurrte er gereizt. »Ich habe mich doch gestern erst mit einem unterhalten. Wer sind Sie überhaupt?«
»Sein Zwillingsbruder«, sagte ich. »Ich komme in seinem Auftrag.«
»Und was wollen Sie heute?«
»Die Wahrheit. Ich habe mich davon überzeugt, dass Sie gestern gelogen haben. Ich will endlich wissen, was Rovelli für sie erledigen sollte.«
»Das ist meine Privatangelegenheit.«
»Da sind Sie im Irrtum, mein Herr, vollkommen im Irrtum. Setzen wir uns. Ich habe das Bedürfnis, mich ein wenig mit Ihnen zu unterhalten.«
Er schnippte ein imaginäres Stäubchen
Weitere Kostenlose Bücher