0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab
einem mittelalterlichen Beidhänder. Ein Monstrum von einer Waffe.
»Der Scharfrichter von Mazamet!« stöhnte der Abbé.
Entschlossen setzte sich Zamorra in Bewegung. Seine Hand umkrampfte das wundersame Amulett, das so manchen Kampf zu seinen Gunsten schon entschieden hatte.
Er nahm keinen Blick von dem Unheimlichen.
Der Scharfrichter stand unbeweglich, breitbeinig an seinem Platz. Weder traf er Anstalten, sich zu verteidigen noch wollte er offenbar angreifen. Noch nicht. Seine seelenlosen Augen funkelten drohend.
Zamorra riß die Hand mit dem Amulett hoch.
Da löste sich die Erscheinung auf wie ein Nebelspuk. Der Mann mit dem Richtschwert schien sich förmlich in Luft zu verwandeln.
Zurück blieb noch für wenige Sekunden ein roter tanzender Lichtschimmer, der genau die Konturen des Unbekannten nachzeichnete.
»So etwas muß man gesehen haben, um es glauben zu können«, ächzte Abbé Lapin.
***
»Wo könnte Nicole, vorausgesetzt sie lebt noch, gefangengehalten werden?« erkundigte sich Zamorra.
»Ich weiß nicht. Ich kenne mich hier nicht aus«, erwiderte der Priester mit bebenden Lippen. Lapin schien sich noch immer nicht ganz erholt zu haben. Zu deutlich hatte er den Kerl gesehen. Diese Visage würde er sein Lebtag nicht wieder vergessen.
Da half auch nicht die Ausrede, es habe sich um eine Sinnestäuschung gehandelt. Diese Erscheinung, so irreal sie auftrat, mußte man ernst nehmen. Und die parapsychologischen Kräfte, die dahinterstanden. Daran kam man nicht vorbei.
Zamorra versuchte, den Wagen aus dem Dreck zu ziehen. Er sorgte für eine feste Unterlage, damit die Räder nicht durchdrehten.
Lapin vermochte ihm nicht zu helfen.
Der Abbé flog an allen Gliedern. Zu sehr hatte der Einbruch des Übernatürlichen in das beschauliche Leben eines Landpfarrers den armen Mann geschockt. Er stand diesen Kräften und Mächten hilflos gegenüber. Die Tatsache, daß er sie nicht länger als Teufelsspuk und heidnische Erfindungen zurückweisen konnte, machte ihm schwer zu schaffen. Er war völlig durcheinander.
Inzwischen machte Zamorra den Wagen flott und brachte ihn auf Kurs.
»Wer kennt sich hier in der Gegend am besten aus?« fragte der Professor, während er den Abbé einsteigen ließ.
Im Wagen schwebte noch das zarte Parfüm seiner Sekretärin und die Sorge um Nicole Duval lastete schwer auf ihm. Trotzdem mußte er die Gefahr im Auge behalten, die vom Scharfrichter von Mazamet drohte. Denn er wurde ausgesprochen aktiv.
»Louis Barret«, erwiderte Lapin. »Ich hatte ihn schon für Ihre erste Exkursion empfohlen.« - »Die leider nicht sehr erfolgreich abgelaufen ist. Bis auf die Tatsache, daß ich das Grab des Scharfrichters entdecken konnte.«
Lapin ruckte herum. Entgeistert starrte er Zamorra an.
»Sie wollen doch nicht etwa dorthin?« fragte der Abbé.
»Wenn Sie nicht mit wollen, setze ich Sie unterwegs ab«, erklärte Zamorra. Er gab sich gelassen. Er hätte auf eine entsprechende Frage ehrlicherweise zugeben müssen, daß er sich nur zusammenriß. In Wirklichkeit war er stark beunruhigt. Nicht nur das ungewisse Schicksal seiner hübschen Sekretärin quälte ihn. Aber es hatte keinen Sinn, durchzudrehen und womöglich Fehler zu begehen. Er mußte der Spukgestall des Scharfrichters von Mazamet ein Ende bereiten, um danach den isolierten Verbrecher zu stellen, der aus irgendeinem undurchsichtigen Grunde Nicole Duval in seine Gewalt gebracht hatte. Aus welchem Grund überhaupt? Doch nicht, weil er sie mochte. Wozu benutzte er sie?
»Ich komme natürlich mit«, entschied der Abbé gekränkt. Es schmerzte ihn, daß man ihm Feigheit unterstellte. Andererseits waren diese Dinge so neu für ihn, daß er schauderte vor dem Gedanken, der Horror ließe sich noch steigern.
»Dann ist es ja gut«, lächelte Zamorra und verlangte: »Unterwegs sollten wir gemeinsam überlegen, warum meine Sekretärin gekidnappt wurde. Denn darauf läuft es doch hinaus!«
»Sicher«, bestätigte Lapin. »Aber wenn Sie keinen Grund sehen, wie sollte ich das schaffen? Mir fehlt die Erfahrung auf diesem Gebiet. Tut mir leid.«
»Ich könnte es mir nur so vorstellen: er benutzt Nicole als Medium. Sie hat ausgeprägte hellseherische Fähigkeiten in Tiefhypnose wie auch das Talent zur Telekinese und zum Materialisationsprozeß.«
»Ich verstehe kaum, was Sie sagen, geschweige denn kann ich Schlußfolgerungen ziehen«, klagte Lapin. »Das ist wahrlich nicht mein Gebiet. Es ist mir sogar verboten, okkulte Bücher zu lesen.
Weitere Kostenlose Bücher
Zehn Mal Fantastische Weihnachten. Zehn Online Lesen
von
Sandra Regnier
,
Teresa Sporrer
,
Jennifer Wolf
,
Cathy McAllister
,
Natalie Luca
,
Jennifer Jäger
,
Melanie Neupauer
,
Katjana May
,
Mara Lang
,
Lars Schütz
,
Pia Trzcinska