0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab
vermißten Sekretärin. Ich bin zuversichtlich, daß ich es schaffe. Eile ist geboten, ehe Dinge geschehen, die nie wieder gutzumachen sind. Voran!«
»Ich werde wenigstens noch eins tun«, sagte Lapin entschlossen. »Ich verwehre diesem Gespenst die Rückkehr.«
Er verspritzte Weihwasser, das er stets mitführte und kratzte das Zeichen des Kreuzes in den Boden. Zamorra lächelte wissend…
***
Die Heimkehrer fanden den Ort Mazamet im Chaos wieder. Grauen schlich durch die Häuser. »Au Relais« war überfüllt. Es gab eine Menge zu besprechen. Man hatte Pierre Lafitte gefunden. Mit abgeschlagenem Kopf. Eine blutige Drohung für alle, die sich schuldig fühlten am Schicksal des Robert Houdain. Denn die These, er stecke hinter dem Teufelsspuk, hatte sich schnell verbreitet.
Die Witwe des Toten rannte schreiend und klagend zu Abbé Lapin.
»Er ist mit einer großen Sünde, die sein Gewissen belastet hat, gestorben«, schluchzte Madame Lafitte.
Sie war eine vollschlanke, bereits grauhaarige Frau.
»Ich weiß, meine Tochter«, meinte Lapin begütigend. »Wer wollte behaupten, er werde keine Gnade finden?«
»Was meint sie?« fragte Zamorra.
Wenn er noch die Spur einer Hoffnung gehegt hatte, Nicole könne zu Fuß das Dorf erreicht haben: jetzt war es auch damit vorbei.
»Lafitte war der Vater Robert Houdains«, erwiderte der Abbé leise.
»Robert Houdain wußte davon?«
»Daran zweifele ich nicht. Sicher hat seine Mutter es ihm gesagt.«
»Da war es nur konsequent, daß er ihn zuerst ins Jenseits beförderte«, räumte der Professor ein.
»Was sollen wir tun? Wir wissen nicht mehr weiter«, rief Maitre Lurent, ein hagerer Mann von etwa sechzig Jahren. Mit einer Adlernase und einem verkniffenen Gesicht. Seine auffallend kleinen Augen wirkten wie dunkle Stecknadeln in dem teigigen Gesicht.
Er rang die Hände.
Unter seiner Regie war damals das Unglück passiert, das Houdain sein Erbe kostete. Er war zwar ein ehrgeiziger Mann, dieser Bürgermeister und mochte gerne oben anstehen, aber auf einer Liste des Todes gab er doch der Bescheidenheit den Vorzug. Wenngleich es gar nicht so aussah, als werde ihm diese Ehre zuteil werden.
»Wie habt ihr ihn gefunden?« forschte der Abbé.
»Gina kam und sagte, ihr Mann sei nicht aus dem Gasthaus zurückgekehrt. Da sind wir alle mit Fackeln losgezogen. Wir haben die Suche da begonnen, wo Henry Moulin und der arme Pierre sich getrennt haben und sind den Spuren gefolgt.«
Der Bürgermeister antwortete mit leiser Stimme.
»Habt ihr erkennen können, wieviele Leute dort Spuren hinterlassen haben?« schaltete sich Zamorra ein.
»Sicher«, nickte der Maitre. »Es waren zwei. Lafitte und jemand anders, der Schuhe getragen haben muß, die nicht gerade der letzte Schrei der Mode sind, Monsieur.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, Hebron, der früher Schuhmacher war, behauptete steif und fest, solche Schnabelschuhe habe man in längst vergangenen Zeiten getragen. Wir dachten natürlich gleich an den Scharfrichter, der in letzter Zeit herumspukt.«
»Diesmal sicher zu Unrecht. Nur ein Wesen aus Fleisch und Blut trägt dazu bei, daß ihr eine Fährte am Boden verfolgen könnt.«
Lapin sagte es mit Überzeugung.
Fast hielt er sich bereits für einen Experten in Sache übersinnliche Erscheinungen und natürliche Vorgänge. Die Gespräche mit dem Professor waren auf fruchtbaren Boden gefallen. Dabei ahnte der arme Abbé nicht im mindesten, wie schwer ihm ein Spuk wenig später das Leben machen sollte. Er befand sich wieder in Mazamet und damit in Sicherheit, wie er annahm. Bislang hatte sich der Scharfrichter in dem Nest jedenfalls noch nicht blicken lassen. Und daß er ausgerechnet nach Mazamet fliehen würde, nachdem er seine Gruft in den Bergen verlassen hatte, kam dem Priester nicht in den Sinn.
Zamorra ließ sich den Ort beschreiben, an dem der Tote gelegen hatte. Dabei kam die Sprache auch auf die Kamera.
Zamorra ließ sich den Apparat bringen und untersuchte ihn.
»Es ist ein Film drin«, stellte er fest. »Wäre es möglich…?«
»Sicher«, rief Lapin eifrig. »Lafitte war ein begeisterter Fotoamateur. Er wird doch nicht etwa versucht haben…«
»Wenn ja, besitzen wir eine Aufnahme des Mörders. Denn diesmal hat Houdain sich zu weit vorgewagt«, kombinierte Zamorra. »Wer kann Filme entwickeln?«
»Lafitte selbst besaß eine Dunkelkammer. Kunststück. Sonst hätte er seine Filme stets zum Entwickeln nach Albi schicken müssen. Das dauerte ihm zu lange«, warf der
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