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0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

Titel: 0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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erreichten es gegen Morgen. Eine Nacht voller Schrecken lag hinter ihnen.
    Der Berg wirkte wie aus Eis. Er strömte eine abweisende, unerklärliche Kälte aus. Frierend und hungrig saßen die Leute auf dem Anhänger des Traktors.
    Sie fuhren bis dicht ans Ziel und brauchten ihre Fackeln nicht einmal wieder anzuzünden. Das erste Licht des dämmernden Tages genügte ihnen. Sie hielten sich eng beeinander. Irgendwie hatte plötzlich jeder das Gefühl, daß die Entscheidung nahe war. Selbst Ravien verkniff sich spöttische Bemerkungen.
    Bis auf Lapin und Zamorra kamen alle zum erstenmal an diesen düsteren Ort. Jedes Gespräch erstarrte angesichts des Opfersteines mit der geheimnisvollen Inschrift, die besonders Ravien faszinierte.
    Nur die Tatsache, daß sie wohl kaum Zeit hatten, wissenschaftliche Studien zu treiben, hielt ihn davon zurück, sich an die Arbeit zu machen. Zumal er auf Anhieb nichts verstehen konnte, wie er verblüfft zugab. Später dachte er nicht einmal mehr daran.
    Denn Zamorra hatte die Stelle erreicht, an der er zuerst den Scharfrichter von Mazamet aufgespürt hatte, die verbotene Grabstätte, ungeweiht, vergessen.
    Es bildete sich ein Halbkreis.
    Schweigend starrte die Menge auf die Stelle am Boden, die gekennzeichnet war durch abgestorbenes, fahles Gras. Kein Wort fiel. Jeder zitterte vor dem Augenblick, da das Amulett das Unsichtbare sichtbar machen würde.
    Zamorra kam nicht mehr dazu, den Scharfrichter von Mazamet zu finden. Der Unheimliche meldete sich von selbst. Nutzte seine letzte Chance und verbrauchte dabei die letzte seelischgeistige Energie seines Initiators Robert Houdain.
    Ein scheußliches grünes Leuchten erschien an der Stelle. Zeichnete deutlich die Umrisse des Henkers. Und dann erhob er sich kurz, das Richtschwert in der Faust.
    Aber es kam - wegen der Lichtverhältnisse - nicht mehr zur völligen Rematerialisation. Ein Schemen wurde sichtbar, ein sprühender Lichterspuk nur.
    Und während die Leute entsetzt zurückwichen, richtete Zamorra sein Amulett beherzt auf die Gestalt, kam ihr zuvor, jagte sie zurück in die Erde, der sie entstiegen war.
    Wie ein Trimphschrer tönte aus dem Tal der erste Hahnenschrei herauf. Und schlagartig verschwand der Scharfrichter von Mazamet wieder in der Geborgenheit seines Grabes, in der es ihn nie gelitten hatte. Er sank zurück.
    »Ist es vorbei? War das alles?« fragte Ravien.
    »Hat es Ihnen nicht genügt?« erwiderte Zamorra entspannt, fast fröhlich. Denn er wußte, die Schlacht war geschlagen. Was jetzt noch kam war ein scheußliches, aber notwendiges Geschäft: die Tötung des Untoten, die Hinrichtung des Henkers. Allein diese Prozedur würde ihm die Ruhe wieder geben, ihn erlösen von dem Fluch unter dem er stand und an dem er nicht unschuldig war.
    »Eine Täuschung, bloße Lichtspiele«, meinte Ravien verächtlich.
    »Dann passen Sie auf!«
    Zamorras Hand, in der er den Talisman hielt, schoß vor, richtete sich auf die Begräbnisstelle.
    Ravien und seine Frau schrien zugleich auf. Es war, als durchbohrten Röntgenstrahlen das Erdreich und in einer gewissen Tiefe wurde ein Skelett sichtbar: dunkler Stoff umhüllte die Gebeine, ein Totenschädel grinste, deutlich ruhte das Richtschwert auf der Brust. Beide Knochenhände umklammerten den Knauf.
    »Und jetzt?« erkundigte sich Ravien leise.
    »Ausgraben!« befahl Zamorra.
    Es fanden sich genügend hilfreiche Hände, nachdem er glaubhaft versichern konnte, daß keine unmittelbare Gefahr mehr drohte.
    Das Erdreich wurde sehr schnell ausgehoben und wölbte sich neben der Gruft zu einem ansehnlichen Hügel.
    Zamorra suchte sich einen geeigneten Pflock.
    Er spitzte ihn nadelscharf an.
    Ruhig wartete der Professor, bis die Leute ihr Werk vollendet hatten. Sie waren zum Schluß immer vorsichtiger geworden, stets bereit, sich mit einem Riesensatz zur Seite zu retten.
    Aber starr und unbeweglich ruhte der Scharfrichter in seinem Grab. Nichts deuteté darauf hin, daß hier mehr freigelegt wurde als totes Gebein. So daß Ravien wieder Oberwasser bekam.
    »So etwas bewegt sich nicht mehr«, meinte er kategorisch.
    Zamorra machte sich nicht mehr die Mühe, ihn zu widerlegen.
    Als das Gerippe bloß dalag und jeder einen neugierigen Blick in das offene Grab geworfen hatte, bat Zamorra die Leute, zur Seite zu treten. Was jetzt geschehe, sei nicht für jedermann bestimmt.
    »Das hat natürlich noch gefehlt«, mäkelte Ravien. »Sie wollen nur allein sein, damit wir Ihren Hokuspokus nicht

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