0106 - Der Komet aus der Hölle
keine Fensterscheibe heilgeblieben. Natascha Podolska erhob sich, einem Nervenzusammenbruch nahe. Der Schwefeldunst ließ sie husten. Die Möbel waren umgestürzt oder verschoben, aber unversehrt.
Natascha Podolskas Kopf schwirrte.
Ihr erster Gedanke war, Nikolaj Kapnin auf seiner Datscha anzurufen. Die Nummer hatte sie im Kopf. Weil ihre Beine sie nicht tragen wollten, setzte sie sich neben das am Boden liegende Telefon, drückte die Gabel und wählte. So fanden sie Hausbewohner, die entsetzt und verstört herbeieilten.
Durch das riesige Loch in der Hauswand wehte es kalt herein.
***
»Professor Zamorra! Professor Zamorra!«
Dr. Nikolaj Kapnin rannte durchs Haus, als ob der Teufel hinter ihm her sei, und schrie aus Leibeskräften. Zamorra hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen, um ein wenig zu ruhen, weil er in der Nacht kaum Schlaf gefunden hatte. Er trat aus der Tür.
Bill Fleming, der in der Leseecke gesessen hatte, erschien ebenfalls. Die aufgestörten Hausangestellten gesellten sich hinzu, doch sie schickte Dr, Kapnin gleich wieder fort.
Der kleine Wissenschaftler und Politbüro-Apparatschik sprudelte hervor, was er am Telefon von Natascha Podolska erfahren hatte, und raufte sich die spärlichen Haare.
»Es ist fürchterlich, es ist entsetzlich! Was soll ich nur den Eltern sagen? Wir hätten die Kinder ebenfalls in Sicherheit bringen müssen.«
»Verteufelte Geschichte!« stieß Zamorra hervor.
Er sah seinen Fehler ein, doch auch er war nicht unfehlbar. An die Kinder hatte er nicht gedacht, nicht damit gerechnet, daß Stenka Badzaks höllische Seele sich an ihnen vergreifen könnte.
»Das ist ein starkes Stück!« meinte Bill Fleming. »Am besten, wir holen den Major her. Svetlana Techowa muß im Bergwerk bleiben.«
»Du hast recht, Bill.«
Zamorra, Bill Fleming und Dr. Kapnin liefen zum Wagen und rasten los. Diesmal fuhr Zamorra. Die Schneeketten klirrten und kreischten. Manchmal nahm er Kurven auf zwei Rädern. Schon sieben Minuten später waren die zehn Kilometer zum Bergwerk trotz Glätte und schlechter Straßenverhältnisse geschafft.
Nikolaj Kapnin öffnete die Augen wieder.
»Was für eine Fahrt! Mütterchen Rußland!«
Der Jeep mit der langen Funkantenne hielt noch vorm Stolleneingang. Der Major Jurij Techow, seine Frau Svetlana Techowa und die drei Soldaten standen daneben. Major Techow und der Gefreite hatten Svetlana gepackt, die sich wie eine Wahnsinnige gebärdete.
Zamorra bremste und sprang aus der schwarzen Limousine.
»Was ist geschehen?«
»Sie wollen mich nicht gehen lassen!« schrie Svetlana Techowa. »Meine Kinder! Ich muß mich diesem Satan ausliefern, um Boris und Katjuschka zu retten!«
»Sie wissen Bescheid? Bitte, beruhigen Sie sich. Wir müssen nüchtern überlegen.«
»Meine Kinder! Laßt mich meine Kinder retten! Boris! Katjuschka!«
Svetlana raste wie eine verwundete Löwin. Zamorra hatte Mühe, sie soweit zu beruhigen, daß er die Geschichte in Ruhe hören konnte. Eine Donnerstimme war wenige Minuten vorher in dem unterirdischen Stollen ertönt und hatte den Techows die fürchterliche Wahrheit in die Ohren geschrien. Zur Bestätigung hatten sie Boris’ und Katjuschkas klägliches Weinen und ihre flehentlichen Bitten gehört, ihnen zu helfen.
Der Satanskomet verlangte, daß Svetlana sich ihm einige hundert Meter vom Bergwerk entfernt auslieferte. Allein. Dann wollte er die Kinder freigeben. Major Techow war so bleich wie eine Leiche und ebenfalls schwer geschockt. Doch er wollte seine Frau nicht gehen lassen.
»Es ist sinnlos, Svetlana, du darfst nicht gehen! Ich glaube nicht, daß wir Boris und Katjuschka Wiedersehen.«
Seine Stimme zitterte. Tränen standen in seinen Augen. Alle schauten auf Zamorra, denn von ihm erhofften sie die Rettung, einen Geniestreich oder ein Wunder.
»Sie sind doch der Meister des Übersinnlichen!« schrie Dr. Kapnin, der doch ein nüchterner Wissenschaftler sein wollte. »So tun Sie doch etwas!«
Zamorra atmete schwer. Was für eine Verantwortung wurde ihm da aufgebürdet! Menschenleben standen auf dem Spiel.
»Wenn Sie gehen wollen, Svetlana Techowa, dann gehen Sie«, sagte er nach einer Weile. »Sie begeben sich in eine große Gefahr, aber ich glaube nicht, daß dieser Satänskomet Sie gleich töten wird. Wir haben einige Tage Frist, um Sie zu retten. Nicole Duval lebt auch noch, ich weiß es.«
»Sie können keine Garantien geben, es ist unverantwortlich, was Sie da sagen!« schrie der Major, der völlig die
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