0106 - Hügel der Gehenkten
ist eine Grover.«
»Was hat das mit ihrem Namen zu tun?« tat ich unwissend.
»Alle Grover müssen sterben!« schrie er mir ins Gesicht.
»Und warum?«
»Weil sie die Hauptschuldigen gewesen sind, die mich vor vierhundert Jahren töteten. Wenigstens haben die Vorfahren dafür gesorgt, daß alles glattlief.«
»War die Strafe nicht berechtigt?« fragte ich zurück. »Hast du nicht die Menschen grausam erhängt?«
»Ja, das habe ich.«
»Eben.«
»Aber die Hölle läßt sich nicht bestrafen!« kreischte er.
Ich sah es in seinen Augen funkeln, doch kein Blitz schoß daraus hervor. Mein Kreuz würde die magischen Strahlen absorbieren.
»Wer bist du?« fragte er mich.
»Ich heiße John Sinclair!«
»Ha«, lachte er auf. »Von dir habe ich gehört. Destero hat über dich gesprochen und Asmodina ebenfalls.«
»Was hast du mit ihr zu tun?« erkundigte ich mich.
»Sie ist meine Schutzpatronin.«
»Eine nette Dame hast du dir da ausgesucht«, spottete ich.
»Rede nicht!« zischte er, »sondern geh auf meine Befehle ein. Jetzt bin ich nämlich am Drücker.« Er lachte kichernd.
Ich schaute das Mädchen an. Steif saß sie auf dem Bett. Die Kleine mußte einen Schock bekommen haben. Ich lächelte ihr beruhigend zu, doch sie nahm es gar nicht wahr. Ihre Augen waren doppelt so groß wie normal. Der Mund stand halb offen. Ich sah kleine, helle Zähne.
»Nimm das Kreuz ab!« verlangte der Schamane.
Darauf hatte ich gewartet. Klar, daß er mit dieser Forderung kommen würde, denn wenn mein silberner Schutz am Boden lag, dann konnte er mich blenden.
Verflixt, wenn doch Bill Conolly kommen würde. Aber ihn hatte ich mit Saffi zurückgelassen. Das war doch ein Fehler gewesen.
»Mach schon, oder willst du, daß sie stirbt?«
»Laß sie frei, dann komme ich deinem Befehl nach«, erwiderte ich.
»Nein, so geht es nicht. Ich will dich waffenlos haben. Und dieses Kreuz ist eine Waffe. Sogar eine sehr starke.«
Da sagte er mir nichts Neues. Denn ich war der Herr des Lichtes, der Erbe des Kreuzes und des silbernen Bumerangs. Der Bumerang lag wohlverwahrt in meinem Kofferraum.
Blieb mir noch eine Chance?
Nein. Ich glaubte auch nicht, daß er das Mädchen freilassen würde. Nicht dieser Schamane, dem ein Menschenleben nichts bedeutete. Er wollte seine Rache. Und da spielte es keine Rolle, ob es Frauen, Männer oder Kinder waren, die er tötete.
Wenn ich ihn jetzt angriff und er zustach, dann machte ich mir ein Leben lang Vorwürfe.
Es blieb mir keine andere Wahl, ich mußte auf seinen Vorschlag eingehen.
Ich brachte beide Hände wieder näher an meinen Körper, führte sie zur Brust und umfaßte die dünne silberne Kette. Dann hob ich die Hände wieder an und streifte die Kette über den Kopf. Jetzt hielt ich das Kreuz in der Hand.
Der Schamane grollte. »Laß es fallen!« zischte er.
Ich warf es zu Boden. Dicht neben meinem rechten Fuß blieb es liegen. Ich spürte plötzlich meine eigene Hilflosigkeit und die Angst, ihm ausgeliefert zu sein.
Blenden und erhängen! Das allein sollte mein Schicksal sein. Was der Schwarze Tod und Asmodina nicht geschafft hatten, würde dem Schamanen gelingen, wenn nicht ein Wunder geschah.
»Und jetzt hilft dir nichts mehr, John Sinclair!« zischte er haßerfüllt.
Im selben Augenblick begannen in der Tiefe der Kristalle die Augen zu leuchten. Für mich blieben noch Sekunden, dann war ich geblendet…
***
Bill Conolly hatte das Gefühl, nach einem langen Alkoholrausch zu erwachen.
Als er nach einigen Mühen die Augen öffnete, da wankte um ihn herum das gesamte Zimmer. Die geschlossene Tür war einmal schmal, dann wurde sie breit und im nächsten Moment in die Länge gezogen wie eine Flasche.
Bills Hände fuhren an den Kopf. Er fühlte das Blut und die Schwellung und wußte Bescheid.
Jemand hatte ihn niedergeschlagen.
Doch wer?
Eigentlich kam da nur eine Person in Frage.
Saffi, das Zigeunermädchen. Und sie hatte noch seine Beretta mitgenommen. Bill Conolly war reingelegt worden wie ein blutiger Anfänger.
»Ausgerechnet mir muß das passieren!« stöhnte er und stemmte sich hoch.
Diesmal spielte der Fußboden verrückt. Doch Bill kannte einige Tricks. Man hatte ihn nicht zum erstenmal niedergeschlagen.
Deshalb atmete er tief und fest durch. Dabei merkte er, wie es ihm langsam besser ging. Sein Kreislauf stabilisierte sich soweit, daß er es riskieren konnte, sich zu erheben.
Die Wand nahm er dabei als Stütze zu Hilfe.
Schwerfällig kam der Reporter auf die Füße.
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