0107 - Die Bestie von Manhattan
sollt hinein!«
Ben und Lorry kletterten gehorsam in den Flur. George hatte sie in weiser Voraussicht mit Zollstöcken ausgerüstet. Jetzt gebärdeten sie sich wie Handwerker. Zu viert beschäftigten sie sich im Flur. Breiten und Höhen wurden ausgemessen, Wandabstände und Türbreiten. Lorry tat gehorsam alles, was man ihm auftrug. Ben machte ein krampfhaft angestrengtes Gesicht, als sollte er mit einem einzigen Zollstock das ganze Innere eines Wolkenkratzers allein ausmessen.
George war die Frechheit in Person. Er klopfte an eine Bürotür, öffnete sie und sagte: »Entschuldigen Sie, ich muss eine kleine Messung vornehmen.«
Er maß die Stärke der'Wand, die Breite der Schwelle und den Abstand zwischen Schwelle und Fenster. Die Sekretärinnen in dem Raum machten ihm bereitwillig Platz. Eine erbot sich sogar, das andere Ende des Maßbandes zu halten, was George grinsend annahm.
Auf diese Weise war es ihnen zwar gelungen, von der Feuerleiter her in den Flur einzusteigen, ohne dass irgendjemand etwas Auffälliges dabei gefunden hätte. Auf diese Weise aber zeigten sie auch ihre Gesichter einer ganzen Reihe von Leuten mehr, als unbedingt nötig gewesen wäre. Wie jeder Plan hatte auch dieser seine schwachen Stellen…
Nachdem sie sich etwa zwanzig Minuten lang im Flur mit allerlei Messungen beschäftigt hatten, rief George: »Okay, Boys. Ich glaube, wir haben alles. Kommt, bis Mittag können wir noch allerhand schaffen.«
Sie folgten ihm gehorsam, als er in den Lift stieg.
George fuhr wesentlich tiefer, als notwendig war. Aber er hielt es für richtig, ihre Spur zu verwischen. Denn da es hier Fahrstuhlführer gab, musste man damit rechnen, dass sie später von der Polizei gefragt würden.
Jeder Wolkenkratzer in den Vereinigten Staaten wäre ein hilfloses Gebilde ohne seine Fahrstühle. Man kann nicht vierzig oder mehr Treppen zu Fuß steigen und das womöglich in beide Richtungen. Aus feuerpolizeilichen Gründen aber müssen zwischen jedem Stockwerk außerdem genügend Treppen vorhanden sein, die allen Bewohnern ein schnelles Entkommen gestatten, selbst wenn in einem Katastrophenfall sämtliche Fahrstühle ausfielen.
Diese Treppen benutzte George mit seiner Bande, um die Stockwerke wieder höher zu kommen, die sie zu tief hinabgefahren waren.
Auf der Höhe des Stockwerkes, in dem die Versicherungsgesellschaft ihre Büros hatte, hielt George seine Leute mit einer Handbewegung an.
Er sah auf die Uhr.
»Noch zwei Minuten!«, raunte er.
Schweigend lehnten sich die Gangster gegen die Wände des Treppenhauses. Auf Ben Fasters Stirn stand der Angstschweiß in lauter kleinen, glitzernden Tropfen. George sah es missbilligend, aber er sagte nichts. Jetzt war nicht mehr die Zeit, einen zurechtzuweisen. Außerdem würde er Ben nur noch aufgeregter machen, wenn er ihn jetzt grob anfuhr.
»Denkt daran! Schießeisen in die Hand, aber nicht abdrücken, solange keiner Schwierigkeiten macht!«
Sie nickten.
George sah wieder auf seine Uhr. Es waren noch keine vierzig Sekunden vergangen.
Verdammt noch mal, dachte er. Wenn man wartet, ist es immer dasselbe. Die Zeit scheint langsamer als eine Schnecke zu kriechen. Wenn man’s sowieso einmal eilig hat, dann rast auch der Uhrzeiger.
Ich werde auch schon nervös, wurde ihm plötzlich klar. Nun bleib ruhig, mein Junge. In einer Stunde ist alles vorbei. In einer Stunde habe ich ein hübsches Anfangskapital. Mit ungefähr hundertfünfzigtausend können wir rechnen. Davon steht mir als Boss die Hälfte zu. Das sind fünfundsiebzigtausend. Ein verdammt schönes Sümmchen. Damit kann ich mir ungefähr zwanzig gute Burschen anstellen. Harte Burschen, die nicht gleich das Zittern kriegen, wenn mal ein Ding gedreht wird. Anders als dieser Ben.
In drei, vier Monaten kann ich die nächste Sache ausbaldowert haben. Natürlich werde ich mich dann nicht mehr mit solchen kleinen Streifzügen abgeben. Überfall auf Geldtransporte/ Das sind noch so die richtigen Dinger. Ein oder zwei Millionen, das lohnt die Mühe.
Er blickte auf die Uhr.
»Okay, Boys«, sagte er und schnippte seine Zigarette weg. »Gehen wir.«
Mit unbewegtem Gesicht trat er aus dem Schutz des Treppenhauses auf den Flur. Eine Stenotypistin begegnete ihm, die einen Stapel Akten trug.
»Darf ich Ihnen helfen?«, fragte George sofort.
Das bebrillte Mädchen errötete. Sie sah so aus, dass ihr solche Angebote wahrscheinlich noch nie gemacht worden waren. Errötend bedankte sie sich und ließ sich von George die Akten
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