0108 - Das Eisgefängnis
genauer hinschaute, erkannte ich mehrere kleine Pfützen.
Erst ziemlich spät sah ich die Kiste. Sie stand fast an der Rückwand des Führerhauses. Ich bückte mich und klopfte die Kiste ab.
Sie bestand aus Blech. Jetzt erst fiel mir auf, daß auch die Innenwände des Aufbaus mit Blech ausgekleidet waren.
»Ist was?« hörte ich Sukos Stimme.
Ich drehte mich um. Sein Oberkörper hob sich vor dem Dunkel der Ladefläche deutlich ab. »Nur eine Kiste.«
»Schaff sie her, dann sehen wir nach.« Das Ding war schwer. Ich suchte nach Griffen, fand nur einen. Der war an der schmaleren Stirnseite befestigt. Mit beiden Händen faßte ich zu und zog, so gut es ging. Die Kiste rutschte über den Boden. Stückweise schaffte ich sie vor. Suko konnte das nicht mehr mit ansehen, kletterte auf die Fläche und half mir.
»Draußen ist der Hund los«, sagte er. »Wo du hinschaust, nur Polizei.«
»Und der gute Bartholo?«
»Dreht fast durch.«
»Das kann ich mir vorstellen. Es ist ja auch verflixt viel auf ihn eingestürmt. So etwas ist er gar nicht gewohnt, trotz Mafiaherrschaft.«
»Da sagst du was.« Endlich stand die Kiste dicht am Ende der Ladefläche. Für uns beide war es ein schönes Stück Arbeit gewesen.
»Hoffentlich kriegen wir die auch auf«, murmelte Suko. »Ich bin gespannt, was darin ist.«
»Frag mich mal.« Wir untersuchten die Kiste genauer, in dem wir sie abtasteten. Suko fand einen Verschluß.
Ich ging um die Kiste herum und trat neben ihn. Der Chinese kniete. Er packte mit Daumen und Zeigefinger den Riegel. Als er nicht zurückfuhr, schlug er mit der Handkante gegen die vorspringende Riegelecke.
Jetzt glitt er zurück. Ich hob den Deckel hoch. Auch diese Kiste war mit Blech ausgekleidet. Und sie war bis zur Hälfte gefüllt. Zwischen den einzelnen Blechverkleidungen klemmte ein längliches Paket. Man hatte es mit Tüchern umwickelt.
»Ein Mensch ist es nicht«, meinte Suko. »Dafür ist die Kiste zu klein.«
Ich hob die Schultern und packte mit beiden Händen die Ränder der Tücher. Sorgfältig schlug ich sie zurück. Kälte strahlte mir entgegen. Schon vorhin war mir aufgefallen, daß es im Innern der Kiste ziemlich kühl war. Jetzt sah ich den Grund.
Vor uns lag ein Eisblock. Und in ihm eingefroren – ein Mensch!
Mein Atem stockte.
Dafür stieß Suko scharf die Luft aus.
Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit dieser makabren Überraschung.
»Das ist…«, flüsterte ich, denn mir fehlten einfach die Worte, um weiterzusprechen.
Nun wurde uns auch klar, warum trotz der Größe ein Mensch in die Kiste paßte. Die Beine waren angezogen, die Knie befanden sich auf einer Höhe mit der Hüfte.
Vor uns lag ein Mann, und er war nackt. Den Kopf hatte er zwischen die Schultern gezogen, vom Profil war kaum etwas zu sehen, weil die Haare es verdeckten.
Ein schauriger Anblick.
»Damit habe ich niemals gerechnet«, flüsterte Suko und deckte den Eisblock wieder zu, wobei er mich fragend anschaute.
Ich nickte und sprang nach draußen.
Die Menschen sah ich kaum, meine Gedanken drehten sich nur um die schaurige Entdeckung.
Wer beging solch ein verabscheuungswürdiges Verbrechen und fror einen Toten ein? Da gab es eigentlich nur einen, dem ich dieses zutraute.
Dr. Tod!
Schon vor Jahren hatte er sich mit schrecklichen Experimenten befaßt, und jetzt schlug er wieder zu. Dr. Tod in Palermo. Er hatte bereits einen schlimmen Einstand gegeben.
Brutal und gnadenlos…
Und der Zufall hatte uns über einen seiner Helfer stolpern lassen.
War es wirklich ein Zufall oder ein gelenkter Schachzug der Gegenseite? Ich wußte es nicht.
Carabinieri hatten die Straße schon abgesperrt. Einige waren auch dabei, die Gaffer zu vertreiben. Auf der Gegenseite rollte der Verkehr langsam weiter.
Der Kommissar kam. Seinem Gesicht war anzusehen, daß er die Welt nicht mehr verstand.
»Was ist nur los in diesem Land?« fragte er.
»Die Hölle«, antwortete ich leise.
»Das habe ich gemerkt.« Bartholo schwitzte so stark, daß er mit einem Tuch sein Gesicht abwischen mußte.
Ich sah an seiner staubigen Kleidung, daß auch er den Hang hinuntergerutscht war. Dabei stand ihm der zweite Schock noch bevor.
»Sie haben sich die Leiche angesehen?« fragte ich ihn.
»Ja«, flüsterte er und nickte. Dabei schluckte er noch, und sein Adamsapfel hüpfte auf und nieder. »Grauenhaft. Sie haben die Bleche weggeschafft. Man kann gar nicht beschreiben, wie er ausgesehen hat. So etwas habe ich noch nie in meinem Leben…« Er
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