011 - Der grüne Brand
und der Betreffende tut genau das, was man ihm befiehlt. Mit andern Worten ausgedrückt - Bromocine lähmt die Willenskraft.«
»Wozu erzählen Sie mir das?« fragte sie und wehrte sich vergeblich gegen ein schreckliches Angstgefühl.
Er steckte die Hand in die Tasche und zog ein kleines schwarzes Etui heraus. Sie beobachtete erschrocken, wie er dem Etui eine Injektionsspritze und eine Ampulle entnahm. Geschickt brach er die Spitze der Ampulle ab, zog eine farblose Flüssigkeit in die Spritze und beugte sich dann über sie.
»Sie weigern sich also, mich zu heiraten. Nun, ich sehe schon, auf eine große Zeremonie mit allem Drum und Dran in der Kirche müssen wir sowieso verzichten - also wird es das Beste sein, ich bestelle den Pfarrer hierher ins Haus und bitte ihn, die Trauung hier zu vollziehen.«
Vorsichtig streifte er den Ärmel ihres Kleides zurück.
»Schreien Sie bitte nicht, sonst versetzen Sie mich in die unangenehme Lage, Sie mit einem Handtuch knebeln zu müssen«
Sie zuckte zusammen, als er die Injektionsnadel in ihre Armbeuge stach. Langsam drückte er den Kolben nieder und spritzte die Flüssigkeit in eine Vene. Mit einem kurzen Ruck zog er die Nadel dann wieder heraus und betupfte die Einstichstelle mit einem in Alkohol getränkten Wattebausch.
»Diese Behandlung werde ich heute abend wiederholen«, sagte er. »Morgen früh noch einmal eine kleine Spritze, und dann wird Ihnen schon alles völlig gleichgültig sein.«
»Ewig wird die Wirkung nicht anhalten«, erwiderte sie haßerfüllt. »Es wird noch eine Gelegenheit kommen, mit Ihnen abzurechnen, Dr. Harding.«
»Bis dahin«, sagte er ruhig, »werden so viel andere Dinge geschehen sein, daß die kleine Missetat, Ihnen ein Rauschgift verabreicht zu haben, bei den Hütern des Gesetzes überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt. Und jetzt kann ich Sie wohl losbinden.«
Er entfernte die Fesseln von ihren Händen und Füßen und steckte sie in die Tasche.
»Stehen Sie auf und gehen Sie etwas hin und her«, sagte er dann. »Sie werden sonst noch ganz steif. Heute nachmittag hatte ich übrigens ein recht interessantes Gespräch mit Ihrem Freund Beale. Ich glaube, der junge Mann ist direkt ein bißchen verliebt in Sie.«
Er bemerkte amüsiert, daß sie rot wurde.
»Wann wird dieses Zeug zu wirken beginnen?« fragte sie.
»Haben Sie Angst?«
»Nein. Aber es wird mir vielleicht helfen, Ihre Anwesenheit besser zu ertragen.«
»Geduld, mein Kind«, sagte er mit gespielter Sanftmut, »bald sind Sie mich los.«
»Weshalb wollen Sie mich überhaupt heiraten?«
»Das kann ich Ihnen jetzt sagen«, antwortete er. »Weil Sie eine reiche Frau sind und ich Ihr Geld brauche. Die Hälfte Ihres Vermögens wird nach der Trauung mein Eigentum.«
»Dann hat dieser Mann also die Wahrheit gesprochen«, sagte sie schwach.
»Aha, Bridgers hat wohl gequasselt - aber es stimmt, Sie sind die Erbin eines reichen Mannes namens Millinborn.«
»John Millinborn?« stieß sie hervor. »Der Mann, der ermordet wurde?«
»Ja, meine Liebe. John Millinborn war Ihr Onkel und hat Ihnen rund vier Millionen Dollar hinterlassen.«
»Ich verstehe das alles nicht.«
»Ihr wirklicher Name ist Predaux. Ihr Vater war der betrunkene Kerl, der . . .«
»Ich weiß - der Mann, der im Hotel starb, war mein Vater!«
»Interessant, nicht wahr?« sagte er ruhig. »Fast wie in einem Roman. Er war ein verkommener Kerl, den Sie so rasch wie möglich vergessen sollten. Ich habe gehört, wie John Millinborn seinem Anwalt erzählte, daß Ihre Mutter vor lauter Kummer gestorben ist, weil Ihr Vater sie ohne einen Pfennig Geld sitzenließ.«
»Mein Vater«, murmelte sie. Ihr Gesicht war totenblaß.
»Ich finde, es ist Zeit, daß Sie die Wahrheit erfahren. Das Vermögen wurde einem Verwalter übergeben, und Sie sollten erst nach Ihrer Verheiratung davon erfahren. John Millinborn hat es so bestimmt, damit nicht irgendein Profitjäger Sie nur des Geldes wegen heiratet. Das war sehr rücksichtsvoll von ihm. Ich selbst beabsichtige nicht im geringsten, etwas an Ihrem Leben zu ändern, sondern erhebe lediglich Anspruch auf die Hälfte des Vermögens. Was Sie mit Ihrem Anteil machen, ist mir völlig gleichgültig.«
»Ich will nicht - ich will nicht«, stammelte sie verzweifelt. Er stand auf und beugte sich über sie. Nach kurzer Zeit war sie eingeschlafen. Gemächlich verließ er das Zimmer und schloß die Tür sorgfältig hinter sich ab. In der Halle stand Bridgers mit einem breitschultrigen Mann,
Weitere Kostenlose Bücher