011 - Der grüne Brand
garantieren, daß die Sache wie am Schnürchen laufen wird. An jeden Agenten wird natürlich nicht nur eine Taube abgeschickt, sondern fünfzig - einige werden bestimmt ihr Ziel erreichen.«
Nachdenklich sah sie ihn an. Seine Augen glühten, ein so ungeheures Selbstbewußtsein lag in jedem seiner Worte, daß sie immer mehr den Eindruck gewann, es mit einem Geisteskranken zu tun zu haben.
Er hatte sie inzwischen in das Hauptgebäude geführt. In einem unaufgeräumten Zimmer setzte er sich an einen Schreibtisch, während sie ihm gegenüber in einem altmodischen Ledersessel Platz nahm. Bridgers hatte den Wagen in einen Schuppen gefahren und war jetzt in der Küche damit beschäftigt, eine Mahlzeit zu richten.
»Verhalten Sie sich ruhig«, sagte Harding. »Ich muß arbeiten.« Er hatte aus dem Schreibtisch einen Packen dünnes Pauspapier geholt, das in quadratische Stücke von ungefähr vier Zentimeter Seitenlänge zerschnitten war. Hastig begann er auf jedes der Blättchen einige Buchstaben zu schreiben. Die schon beschriebenen steckte er in kleine Aluminiumröhrchen. Margaret begriff, daß diese Röhrchen dann im Gefieder der Tauben befestigt werden sollten.
»Bridgers wird mir nachher helfen«, murmelte Harding. »Wir werden die ganze Nacht zu tun haben. Sie können sich dann später auch noch nützlich machen . . .«
Er sah auf. Sie hatte ihre Reisetasche auf den Schoß genommen und das Buch herausgeholt. Mißtrauisch sah er sie an.
»Wollen Sie jetzt etwa lesen? Was ist das eigentlich für ein Buch?«
Er kam um den Schreibtisch herum, riß ihr den Band aus der Hand und schlug ihn auf. Erstaunt hielt er inne - was er in der Hand hielt, war nur eine Buchattrappe. Wenn man den Deckel aufschlug, sah man ins Innere einer kleinen Schachtel, »Was war darin?« schrie er sie an.
»Dieses hier«, sagte sie, stieß ihn zurück und sprang auf. »Keine Bewegung, Dr. Harding!« Ihre Hand, in der sie einen mattglänzenden Browning hielt, zitterte nicht. »Ich glaube nicht, daß Sie morgen früh Ihre Tauben fortschicken können!«
Mit einem schnellen Schritt war sie beim Schreibtisch und wischte die Papierblätter herunter, daß sie durch das Zimmer flatterten.
»Ich erschieße Sie, wenn Sie nicht tun, was ich Ihnen sage. Glauben Sie mir, daß ich den Mut dazu habe!«
Mit einer unaussprechlichen Verblüffung im Gesicht sah er sie an. Seine Hände zitterten, er sah aus, als würde er im nächsten Augenblick zusammenbrechen. Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck plötzlich - er starrte die Pistole an und streckte die Hand nach ihr aus.
»Zurück!« rief sie. Er sprang auf sie zu, sie drückte ab - aber nichts geschah. Im nächsten Augenblick hatte er ihr die Pistole aus der Hand gerissen und in eine Ecke geworfen.
»Die Sicherung!« schrie er höhnisch. »Sie haben ja nicht entsichert!«
Vor Wut und Scham hätte sie weinen können. Das war Beales Fehler gewesen, er hatte nicht daran gedacht, daß Mädchen für gewöhnlich nur sehr unklare Vorstellungen davon haben, wie eine Pistole schußfertig gemacht wird.
»Das werden Sie mir büßen!« rief er und stieß sie in den Sessel zurück. »Wenn Sie solche Dummheiten machen, werden wir Sie ein wenig anders behandeln müssen . . .« Er lief zur Tür und brüllte:
»Bridgers!«
Nach einer Weile hörten sie eilige Schritte.
»Komm herein, Bridgers!« schrie Harding. »Schau dir dieses Mädchen an . . .«
»Wie wollen Sie mit uns kommen, Harding? Ruhig oder nicht?«
Blitzschnell fuhr er herum, zwei Männer standen unter der Tür, der vordere war Beale.
»Rufen Sie nicht nach Bridgers, der ist schon unterwegs zum Kittchen«, sagte McNorton gemütlich. »Und für Sie habe ich einen Haftbefehl.«
Mit einem wütenden Aufschrei sprang der Doktor zurück, kauerte sich zusammen und riß eine Pistole aus der Tasche.
Beale und McNorton drückten gleichzeitig ab, es klang wie ein einziger Schuß. Harding stürzte mit ausgebreiteten Armen nach vorne zu Boden.
Es war Freitag früh, als Beale Miss Cresswell in ihrem Hotel besuchte.
»Die Getreidepreise fallen!« rief er als Begrüßung. »Es war wirklich die letzte Minute, bevor eine Panik auf der ganzen Welt ausgebrochen wäre.«
»Ich gratuliere Ihnen«, entgegnete das Mädchen leise. »Sie haben alles erreicht, was Sie sich wünschten . . .«
»Alles?« meinte Beale gedehnt. »Sicher, der Plan Hardings ist ein für allemal gescheitert. Die Adressen aller seiner Agenten und Vertrauensleute sind in unseren Händen. Auf der
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