011 - Der grüne Brand
Besser ist besser! - Bitte, kommen Sie herein, Herr Pfarrer.«
»Es tut mir sehr leid, daß Ihre Verlobte krank ist . . .«, begann der Geistliche.
»Sie besteht aber darauf, daß die Trauung stattfindet, Hochwürden! Ich werde hinaufgehen und sie vorbereiten.«
Als er zur Tür gehen wollte, hielt ihn Milsom auf, der am Fenster stand.
»Hören Sie nicht, daß da jemand spricht?«
Sie lauschten.
»Kommen Sie mit«, sagte der Doktor dann erregt und schlich, gefolgt von Milsom, die Treppe hinauf.
20
Einen halben Kilometer von Deans Folly entfernt hielt ein Auto auf einem Hügel. Man konnte von dort aus das Tal, in dem Hardings Haus stand, überblicken.
»Das ist das Gebäude«, sagte Beale und deutete nach unten. »Und diese Mauer, die sich an der Straße entlangzieht, hat der Landstreicher gemeint.«
Er holte einen Feldstecher aus dem Futteral und sah durch. »Ja, das ist das Tor - sehen Sie den Wächter davor?« Mr. Mint nahm den Feldstecher und beobachtete einige Minuten lang das Grundstück.
»Hm - es wird gar nicht so leicht sein, dort einzudringen. Wie wollen Sie denn das eigentlich anstellen?«
»Sie werden es gleich sehen.«
Sie gingen den Hügel hinunter und erreichten nach einem ziemlich beschwerlichen Marsch die hohe Mauer, die Deans Folly umgab. Vorsichtig arbeitete sich Beale bis zu einem Gebüsch vor, das dicht an der Mauer stand. Kurz entschlossen sprang er dann hoch, hielt sich oben an der Brüstung fest und schwang sich vollends hinauf. Mint, der auf eine lange Übung als Fassadenkletterer zurückblicken konnte, folgte ihm genauso gewandt.
Auf der anderen Seite lag unter ihm das Dach des gegen die Mauer gebauten Schuppens. Beale gab Mint ein Zeichen, ihm zu folgen, und sie sprangen beide neben dem Schuppen auf den Boden.
Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, den Park zu erkunden. Einmal öffnete sich die Tür zum Schuppen, zwei Männer kamen heraus und gingen auf das Haus zu. Beale und sein Begleiter verhielten sich regungslos, bis sie beide nach einiger Zeit wieder in den Schuppen zurückkehren sahen.
Vorsichtig schlichen sie sich dann näher an das Haus heran. Plötzlich warf sich Beale zu Boden.
»Es kommt jemand den Hauptweg entlang«, flüsterte er Mint zu.
»Ein Amtsbruder von mir«, sagte sein Begleiter und kicherte leise.
Beale fuhr zusammen. Tatsächlich, es war ein Pfarrer, der gerade im Haus verschwand. Er wußte, daß jetzt keine Zeit mehr zu verlieren war. Doch was sollte er tun? Konnte er einfach in das Haus eindringen? Vorsichtig schlich er mit seinem Begleiter zur Rückseite des Gebäudes. Da es an einen Abhang gebaut war, befanden sie sich hier in gleicher Höhe mit dem ersten Stock. Die Fenster, die sie vor sich sahen, waren alle vergittert, und Beale wollte schon wieder umkehren, als er plötzlich wie elektrisiert zusammenfuhr - zehn Meter entfernt von sich sah er an einem Fenster Margaret Cresswell.
Ohne an eine Gefahr zu denken, stürzte er auf sie zu.
»Miss Cresswell!« rief er.
Sie sah gleichgültig zu ihm herüber.
»Sie sind es«, sagte sie mit einer merkwürdigen Gelassenheit.
Er stand jetzt am Rande des betonierten Grabens, der die Hauswand von dem Abhang trennte, und zögerte. Hinüberspringen konnte er nicht, dazu war der Graben zu breit, doch dann erinnerte er sich, daß er bei einem Fliedergebüsch vorhin einen Bretterstapel gesehen hatte.
Er rannte dorthin, so schnell er konnte, holte ein Brett und legte es über den trennenden Graben.
Vorsichtig balancierte er hinüber und blieb vor dem vergitterten Fenster stehen. Das Mädchen schaute ihn teilnahmslos an. Er fühlte sofort, daß irgend etwas nicht stimmte.
»Sie kennen mich doch?« fragte er. »Ich bin Mr. Beale.«
»Ich weiß, Sie sind Mr. Beale«, sagte sie gleichgültig.
»Ich bin gekommen, um Sie zu retten«, fuhr er schnell fort. »Bitte, vertrauen Sie mir - Sie - Sie müssen mich heiraten.«
Als er diese Worte gesagt hatte, wurde es ihm plötzlich klar, daß er sie liebte. Er wartete mit angehaltenem Atem, ob sie seinen Antrag entrüstet zurückweisen würde. Aber sie blieb gleichgültig und schaute ihn nicht einmal an, als sie ihm antwortete:
»Ich muß Sie heiraten.«
Pfarrer Mint ging bis zur Mitte des schwankendes Brettes, zog ein Gebetbuch aus der Tasche und begann vorzulesen. Als er zu der entscheidenden Frage kam, die beide Partner mit ›ja‹ beantworten mußten, zögerte Beale keinen Augenblick.
Das Mädchen antwortete nicht sofort, als sie gefragt wurde. Es
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