011 - Der grüne Brand
über den grünen Brand und werde meine Informationen noch heute der Polizei weitergeben.«
Sie trat einen Schritt zurück und legte die Hand vor den Mund.
»Der - der grüne Brand?« hauchte sie. »Das wissen Sie?« Ihre Augen hingen wie gebannt an seinem Gesicht, und er sah in ihnen Zweifel, Wut und einen Schatten von Angst, schließlich aber ein klares Aufleuchten von Entschlossenheit. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme fest.
»Gut, ich sehe ein, daß es keinen Sinn mehr hat«, sagte sie. »Sie wollen wissen, wo sich Dr. Harding jetzt aufhält, nicht wahr? Ich führe Sie hin.«
Er nickte, ging mit ihr in den Flur und half ihr in den Mantel.
»Vor der Tür wartet ein Taxi.«
»Wir können aber nur bis zur Baker Street damit fahren, sagen Sie das dem Chauffeur«, entgegnete sie.
Sie saß neben ihm im Wagen, ohne ein Wort zu sprechen. In der Baker Street ließ sie halten, und sie gingen zu Fuß weiter. Die Hauptstraße verließen sie schon nach hundert Metern, und dann führte sie ihn durch ein Labyrinth von kleinen Straßen und Gäßchen, die Beale völlig unbekannt waren.
»Wir sind da«, sagte sie nach zwanzig Minuten.
Sie standen vor einer verwitterten Mauer, hinter der sich ein langgestrecktes, niedriges Gebäude hinzog. Das Mädchen holte einen Schlüssel aus der Handtasche und öffnete eine kleine Pforte. Beale folgte ihr in einen Hof, in dem Abfallhaufen und verbogene Eisenteile unordentlich herumlagen. Geradewegs ging sie auf das niedrige Gebäude zu und öffnete eine zweite Tür.
»Es sind vierzehn Stufen bis unten«, sagte Miss Gordon. »Haben Sie eine Taschenlampe?«
Er gab ihr seine Taschenlampe, und sie leuchtete ihm eine feuchte Kellertreppe hinunter.
»Was ist das hier eigentlich?« fragte er, nachdem sie die Tür wieder versperrt hatte.
»Die Räume gehörten früher einem Weinhändler«, erwiderte sie kurz. »Kommen Sie mit. Oder haben Sie Angst?«
Am Ende der Stufen führte ein kurzer Gang zu einer dritten Tür, die sie ebenfalls öffnete, ohne sie aber hinter sich wieder zu verschließen. Zwölf Schritte vor sich sah er jetzt eine Stahltür.
»Das ist die letzte«, sagte sie, und er ging darauf zu.
Plötzlich erlosch das Licht der Taschenlampe, die sie in der Hand hielt. Er hörte hinter sich ein Schnappen und war sich über das Geschehene erst im klaren, als ihre höhnische Stimme durch die Tür drang, die sie eben durchschritten hatten.
»Nun, Mr. Beale, werden Sie den Doktor heute nacht wirklich verhaften? Sie haben doch alle Beweise in Händen!«
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Miss Gordon«, sagte Beale so ruhig wie möglich, »dann öffnen Sie diese Tür schleunigst wieder. Glauben Sie vielleicht, daß ich allein hierhergekommen bin? Man ist uns den ganzen Weg gefolgt.«
»Sie lügen ja«, entgegnete sie kühl. »Meinen Sie denn, darauf hätte ich nicht geachtet, als wir hierhergingen?«
Er tappte auf die Tür zu und rüttelte an der Klinke. Sie lachte laut, und gleich darauf hörte er, wie sich ihre Schritte entfernten.
»Na, soweit wären wir also gekommen«, murmelte er vor sich hin. »Meine kleine Freundin wird jetzt so schnell sie nur kann Harding benachrichtigen. Eine Stunde habe ich wohl noch Zeit, bevor die Schießerei beginnt.«
Er griff in die Hüfttasche und tastete nach seiner Pistole.
23
Dr. Harding hatte seine Abreise aus dem Haus in Staines durchaus nicht überstürzt. Er fühlte zwar ganz genau, daß ihn jede Stunde der Gefahr näherbrachte, aber er war auch davon überzeugt, daß diese Gefahr in keiner Verbindung mit der Entführung von Miss Cresswell stehen würde.
»Eine Woche habe ich noch Zeit, bis sie mir richtig auf der Spur sind«, sagte er zu Milsom, »und innerhalb dieser Woche kann ich alles erledigen.«
Es war Dienstag abend um zehn Uhr, als er und Milsom endlich aufbrachen. In schnellem Tempo rollte ihr Wagen durch die Vororte Londons.
»Beale bedeutet die größte Gefahr für uns«, meinte Dr. Harding nach einiger Zeit. »Er hat schon lange eine Ahnung von meinem Plan - er hat versucht, den alten Speranza auszuholen, und er erriet auch, warum ich es so eilig hatte, mir das Geld Millinborns zu sichern. - Ich glaube allen Ernstes, daß ich ihn um die Ecke bringen muß. Je schneller, desto besser!«
»Ein Mord?« entgegnete Milsom. »Das gefällt mir nicht besonders.«
»Er darf keinesfalls die Fabrik in Paddington finden! Dort ist genügend Beweismaterial, um uns zu erledigen.«
Man merkte Harding deutlich an, daß er
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