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0110 - Wer andern eine Grube gräbt

0110 - Wer andern eine Grube gräbt

Titel: 0110 - Wer andern eine Grube gräbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer andern eine Grube gräbt
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verlegen fühlte vor vier fremden Männern, die ihn allesamt ansahen.
    »Ich bin nämlich Boy im Center Hotel«, begann er. »Schon seit fast einem halben Jahr. Ich schlafe ganz oben, unterm Dach, in einer großen Kammer. Da stehen zwei Betten drin. Im ändern schläft der Hausdiener. Der heißt Joe Crendix. Er ist schon seit vielen Jahren im Hotel als Hausdiener. Jeden Abend, wenn wir unsere Freistunde haben, sitzen wir in unserem Zimmer. Joe hat keine Angehörigen mehr, und deshalb bespricht er alles mit mir, was ihn interessiert. Denn irgendwen muß der Mensch doch haben, nicht wahr?«
    Er fragte es mit einer rührenden Ernsthaftigkeit. Wir nickten zustimmend, und er fuhr fort:
    »Vorgestern abend erzählte mir Joe, daß er einen ganz verrückten Brief bekommen hätte. Jemand teilte ihm die Adresse eines Gangsters mit, der steckbrieflich gesucht würde. Auf seinem Kopf ständen zwölftausend Dollar, sagte er.«
    Hywood warf mir einen kurzen Blick zu. Ich wußte, was er meinte: Der Junge hatte damit bereits den Toten identifiziert. Die Geschichte mit dem Brief, das war ganz eindeutig wieder die Parallele zu unserem Fall.
    »Zuerst wollte Joe nicht«, sagte der Junge. »Aber dann lockten ihn doch die zwölftausend Dollar. Gestern früh sagte er, daß er zur Polizei gehen würde. Wenn die Adresse richtig wäre, dann müßte er doch die zwölftausend Dollar kriegen.«
    »Wußte Joe denn, von wem der Brief war?« fragte ich.
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Nein, er hatte keine Ahnung. Wir haben lange geraten, aber wir kamen nicht drauf, wer den Brief abgeschickt haben könnte. Es mußte wohl jemand sein, der Joe gern hatte und ihm zu dem vielen Geld verhelfen wollte.«
    »Weißt du, wo Joe den Brief hingelegt hat?«
    »Ja. Er hat ihn mir gegeben.«
    »Dir?«
    »Ja. Das tut er bei allen wichtigen Sachen. Er ist nämlich sehr vergeßlich, und wenn er etwas nicht verlegen will, dann gibt er es mir. Ich habe meine Sachen immer in Ordnung.«
    Ich lächelte über diesen kleinen Mann, der als zuverlässiger Bewahrer für die wichtigen Sachen eines Erwachsenen fungieren mußte.
    »Was hast du mit dem Brief gemacht?« fragte ich.
    »Ich habe ihn in meinem Schrank. Meine Mutter hat mir eine kleine Kassette geschenkt, als ich den Dienst im Hotel anfing. Damit mir niemand mein Geld stehlen kann. In der Kassette habe ich den Brief und noch ein paar andere Papiere von Joe, die er mir zum Aufheben gab.«
    Ich drückte langsam meine Zigarette im Aschenbecher aus. Die anderen sahen auf mich, weil ich die bisherige Unterhaltung mit dem Jungen fast ganz allein bestritten hatte.
    »Du hast jetzt wohl Freistunde, was?« erkundigte ich mich.
    Er nickte.
    »Ja, Sir.«
    »Wie lange noch?«
    Der Knirps griff in seine Hosentasche und brachte eine altmodische Taschenuhr zum Vorschein. Nachdem er mit geschlossenen Augen eine Weile gerechnet hatte, sagte er:
    »Noch vierunddreißig Minuten.«
    »Liegt das Hotel weit von hier?«
    »Nein, Sir. Mit dem Auto kann man in zehn Minuten bequem da sein.«
    »Das geht. Du könntest uns helfen, einen Mord aufzuklären, Ben. Wir brauchen diesen Brief, den Joe dir in Verwahrung gab. Könntest du uns diesen Brief besorgen?«
    »Sicher, er liegt doch in meiner Kassette.«
    Ich stand auf. Phil sagte:
    »Ich bleibe hier, Jerry. Während du den Brief holst, sehe ich mir mal die Leiche an und spreche mit dem Doc über das Kaliber der Mordwaffe. Du kannst mich hier wieder abholen.«
    »Gut, einverstanden, Phil. So long, Hywood!«
    Ich winkte den anderen zu und ging mit dem bleinen Ben Luckman hinaus. Wir fuhren mit dem Lift hinunter, stiegen in meinen Jaguar und brausten los. Ben gab die Richtung an.
    Das Center Hotel war eines der mittelguten Hotels, wie man sie in New York massenweise finden kann. Ben dirigierte mich an einen unscheinbaren Seiteneingang, der wohl für die Dienstboten bestimmt war.
    »Ich fahre schnell hinauf«, sagte er. »In fünf Minuten bin ich wieder unten.«
    »Okay, Ben.«
    Während der Junge ausstieg und ins Haus huschte, steckte ich mir eine Zigarette an. Endlich war eine greifbare Spur gefunden: der Brief. Unsere Techniker würden ihn auswerten. Papiersorte, Art und Alter der Tinte, verwendete Feder oder welche Schreibmaschine, Stilauswertung usw. usw. Ich versprach mir viel von diesem Brief, weil ich wußte, was die Wissenschaftler mit so etwas anfangen können.
    Aber es vergingen zehn Minuten, und Ben kam nicht wieder. Irgend etwas stimmte nicht. Ich stieg aus, schlug die Wagentür

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