0111 - Lockruf aus dem Jenseits
nicht getrogen, hatte sie rechtzeitig gewarnt, doch sie war zu langsam gewesen.
Inas Mund öffnete sich. Bestürzt erkannte Nicole die langen, weißen Eckzähne, die sich hervorschoben, innerhalb von Sekunden förmlich heranwuchsen.
Eine Vampirin! schoß es ihr durch den Kopf.
Sollte Ina der Dämon sein? Oder handelte es sich hier wieder um ein Trugbild?
Nicole überwand ihre Starre und sprang auf Zamorra und die Vampirin zu. Jetzt erst wurden die anderen auf das Geschehen aufmerksam. Erstaunte Ausrufe ertönten.
Nicole war schneller. Ihre zarte Faust schoß vor, erwischte die Schulter der Vampirin und schleuderte sie zur Seite, gerade in dem Moment, in dem Ina ihre Eckzähne in Zamorras Hals schlagen wollte. Ein enttäuschter, unmenschlicher Wutschrei kam aus der Kehle der Vampirin, die sich jetzt wutentbrannt auf Nicole stürzte.
»Ina…!« gellte Peters Ruf.
Nicole sah in die schwarzen Augen der Vampirin, und jäh schwand ihr Widerstand. Die Augen kreisten wie Feuerräder vor ihr, zwangen ihr sekundenschnell ihren Willen auf, ließen sie wie paralysiert zu Boden sinken.
Da handelte Peter Brandt. Er war am nächsten, griff dorthin, wo das Amulett lag, das Ina fortgeschleudert hatte. Trotz Zamorras Behauptung, es tauge als Waffe in dieser dämonischen Welt nichts, ergriff er es und schmetterte es gegen Inas Stirn.
Jäh brach die Vampirin zusammen. An ihrer Stirn entstand ein schwarzer, rauchender Fleck. Das zersetzende Silber des Amulettes griff den Vampirkörper an, begann, ihn zu zerstören.
Von einem Augenblick zum anderen verblaßten die Konturen Inas, verschwammen bis zur Unkenntlichkeit mit dem Boden. Vergeblich schossen Zamorras Hände vor, versuchten, sie festzuhalten, doch der Parapsychologe griff ins Leere. Nur den hartgetrockneten Boden berührten seine Finger.
Und dann, Sekunden später, flimmerte es erneut, schälten sich die Umrisse eines menschlichen Körpers aus dem Nichts. Schon wollte Zamorra triumphierend aufatmen im Glauben, die Vampirin, beziehungsweise der Dämon, der Ina verkörperte, habe es nicht mehr geschafft, zu entfliehen, da erstarrte er förmlich. Seine Augen fraßen sich an der Gestalt fest, sogen das entsetzliche Bild förmlich in sich auf.
Der Professor hatte das Gefühl, sein Magen setze sich in Bewegung und versuche, die Speiseröhre hinaufzuklettem, sich dabei ständig drehend. Neben sich vernahm er würgende Geräusche. Doch so grausig das Büd auch war, vermochte er doch kaum den Kopf zu wenden, und als es ihm schließlich gelang, fühlte er sich fast zu Tode erschöpft.
Denn das, was da vor ihm materialisiert war, war nichts anderes als der halb aufgelöste Körper Franz Wrantiseks…
***
Ein echsenhafter, schuppiger Körper wand sich in unmenschlichen Krämpfen und schrie seine ganze Qual hinaus, die furchtbaren Schmerzen, die in ihm brannten. Verzweifelt fuhren seine Klauenhände an die Stirn, versuchten, dort etwas fortzureißen, was es gar nicht gab. Das Amulett! Wie Feuer brannte es, schien Ghoon zu zerreißen, allmählich aufzulösen…
Und doch war es nur eine Illusion, das spürte er wenige Minuten später, als die nahezu unerträglichen Schmerzen nachließen und einem unbändigen Haß wichen. Das Amulett!
Es durfte doch gar nicht wirken, seine Kraft mußte neutralisiert sein, ausgeschaltet, erloschen bis auf einen winzigen Rest, der kaum der Rede wert sein konnte! Und doch hatte es ihn fast getötet, als er Ina Kirchhain übernahm, hatte seine zerstörende Kraft einmal mehr unter Beweis gestellt. Vage ahnte Ghoon, daß er Zamorra schon wieder unterschätzt hatte, daß dieser Mann raffinierter war, als er annahm. Auf irgendeine Ghoon unerklärliche Weise mußte es Zamorra gelungen sein, das Amulett wieder zu aktivieren, die magischen Kräfte, die darin verharrten, zu neuem Leben zu erwecken…
Finster starrte der Dämon auf das vor ihm liegende Mädchen. In den letzten Sekunden seines bewußten Denkens, ehe er sich dem Zugriff des Amulettes durch die Flucht entzog, war es ihm gelungen, sie auszutauschen, mitzunehmen in seine Welt und dafür sich der aufgelösten Reste des Menschen Wrantisek zu entledigen. Schwacher Triumph erfüllte ihn im Gedenken an das Entsetzen, welches dessen Anblick den Menschen bereiten mußte.
Ghoons Reptilaugen leuchteten in mattem, bösartigem Glanz. Das Mädchen hatte das Bewußtsein verloren, trug eine schwere Brandwunde auf der Stirn, dort, wo das Amulett sie getroffen hatte. Ihr Mund war leicht geöffnet, gab die
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