0112 - Die Drachensaat
Situation verdammt schwerfiel.
Shao verzog das Gesicht. Sie musste starke Schmerzen haben, und wenn Suko genauer hinschaute, sah er das Blut zwischen ihren lackschwarzen Haaren schimmern. Plötzlich funkelten Tränen in ihren großen Augen, und sie fragte: »Müssen wir jetzt sterben?«
»Nein!«
»Du willst mich nur beruhigen«, erwiderte sie. »Ich sehe keine Chance mehr. Dabei habe ich alles getan, was in meinen Kräften stand, aber die anderen waren stärker. Es tut mir leid.«
»Was ist mit John?« fragte der Chinese.
»Ich weiß es nicht. Gesehen habe ich ihn nicht. Vielleicht ist er auch…«
»Mal den Teufel nicht an die Wand.«
»Dann sterben wir wenigstens zusammen«, flüsterte Shao.
»Wenn es soweit sein sollte, dann wollte ich mit dir…«
Sie sprach nicht mehr weiter, und auch Suko schwieg, denn der erste Holzstoß flammte auf. Ein zweiter folgte, ein dritter, und wenig später brannten sämtliche Holzhaufen.
Sie bildeten einen feurigen Kreis.
Die zuckenden Flammen leckten mit ihren gierigen Fingern in die graue Dunkelheit, fuhren als Widerschein über das Podest, und Suko als auch Shao spürten bereits die Wärme des Feuers.
Jetzt wusste der Chinese, wie sie sterben sollten. Man wollte Shao und ihn verbrennen! Ein grausamer Tod, und Suko sah es Shao an, das sie ebenfalls so dachte.
Die Chinese zerrte wie ein Wilder an seinen Fesseln. Er ruckte hin und her. Wenn er schon sterben sollte, dann im Kampf und nicht auf diese elende Art und Weise.
Die Hitze nahm zu. Suko konnte sich dies nicht erklären, denn er sah von seiner Position aus nicht, dass die Männer die Holzstöße mit langen Stangen näher an das Podest heranschoben. Das Holz sollte Feuer fangen und ebenso brennen wie die beiden Gefangenen.
Ihre verbrannten Körper würden zusammen mit dem Podest nach unten in das Bassin mit Drachenblut fallen.
Das war also das Ende.
Und schon hatte der erste Pfosten Feuer gefangen…
***
Ich rannte. Der flackernde Feuerschein wies mir den Weg. Mein Mund stand offen.
Ich ließ jede Rücksicht fahren, denn Zeit, mich anzuschleichen, hatte ich nicht mehr. Ich konnte einem offenen Kampf nicht ausweichen. Trotzdem verlangsamte ich meine Schritte, als ich in der Nähe des Feuers war.
Bevor ich eingriff, musste ich mir einen Überblick verschaffen.
Schattenhaft sah ich die Gestalten der Männer. Etwas abseits standen kleinere Menschen. Die Kinder!
Ich zog meine Beretta. Noch einmal pumpte ich die Lungen voll Luft, dann holte ich zum Endspurt aus. Ich kam über sie wie ein Wirbelsturm.
Bevor jemand einen Warnruf ausstoßen konnte, hatte ich den äußeren Ring der Wächter durchbrochen, mir mit zwei Pistolenhieben die nötige Luft verschafft und stand dicht vor dem brennenden Podest.
Jemand kreischte: »Schießt! Schießt doch, verdammt!« Die Kerle mussten ihre Waffen erst holen. Sie hatten sie weggestellt. Einer sprang mich von der Seite an. Sein Gesicht - nur eine verzerrte Fratze leuchtete rot. Er schlug mit einer Stange aus vollem Lauf zu.
Ich tauchte weg und schleuderte ihn mit einem Judogriff über die Schulter.
Er fiel zu Boden, und sofort leckten die ersten Flammen nach ihm.
Dann hörte ich eine Stimme: »John!« Das war Suko.
Und er lag auf dem Podest, das bereits an mehreren Stellen brannte und jeden Augenblick einstürzen konnte. Ich musste hoch zu ihm.
Die Beretta nahm ich zwischen die Zähne, um beide Hände freizuhaben, packte die unterste Sprosse und zog mich mit einem Klimmzug in die Höhe. Dann lag ich oben.
Suko war gefesselt und Shao ebenfalls. »Erst sie!« schrie der Chinese.
Ich nickte, bückte mich, holte meinen silbernen Dolch hervor und säbelte an den Stricken.
Es kam jetzt auf Sekunden an, und als ich in Shaos Haut schnitt, verzog sie keine Miene. Sie wusste selbst, worum es ging. Sie stand auf. Sofort wandte ich mich Suko zu.
Wieder riss ich mit der scharfen Dolchklinge die hemmenden Stricke entzwei.
Ein Schuß krachte, doch der Winkel war schlecht, und die Kugel pfiff über uns hinweg.
»Bleib unten!« brüllte ich Shao zu. Dabei zerschnitt ich die letzte Fessel.
Geschafft?
Nein. Trotz des Prasseins der Flammen hörte ich das gewaltige Rauschen der Schwingen. »Weg hier!« schrie ich Shao zu, als ich sah, dass der Drache das Podest anflog.
Als Shao nicht reagierte, packte Suko sie und sprang mit ihr von der Plattform…
***
Gleichzeitig mit dem Drachen sah ich auch meine Erzfeindin. Asmodina, die Teufelstochter!
Sie hockte auf dem Rücken des
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