0112 - Die Drachensaat
vorstellen, wo man sie hingeschafft haben könnte?« wandte ich mich an Myxin.
»Nein!«
»Die Ritter haben also nichts gesagt.«
»Sie sprachen kaum von dem Drachen.«
Ja, das hätte ich mir eigentlich denken können. Die Ritter und der Drache waren zwei verschiedene Paar Schuhe, obwohl Asmodina an beiden Fällen beteiligt war.
Ich hob die Schultern. »Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig. Wir müssen ins Dorf und dort nachfragen.«
»Man wird uns keine Auskunft geben.«
Ich grinste hart. »Das lass mal meine Sorge sein.«
Wir brauchten nicht bis ins Dorf. Etwas anderes erregte unsere Aufmerksamkeit.
Feuer!
Unten im Tal und östlich des Dorfes sahen wir den Widerschein der Flammen. Wie ein Warnsignal zuckten sie über den grauen Himmel und tauchten die tiefhängenden Wolken in einen blutigen Schleier. »Da sind sie bestimmt«, sagte Myxin. Der Meinung war ich auch.
Die Leute aus Gulbine hatten ein Feuer angezündet. Vielleicht ein Opferfeuer. Ich brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, für wen.
Myxin ging schon vor. Er lief geradewegs auf das Feuer zu, kümmerte sich nicht um die Geländeform, sondern hatte es furchtbar eilig. Er wollte beweisen, wie sehr er auf meiner Seite stand. Umso besser.
Ich lief ebenfalls los. Meinen Weg bahnte ich mir mitten durch die Herde grasender Schafe. Rücksicht war fehl am Platze. Es ging um Menschenleben! Wenig später jagte ein schauriges Fauchen über den Himmel. Es schwang noch als Echo nach, und im selben Augenblick stieg dort, wo das Feuer leuchtete, der Drache in den Himmel.
In der Dämmerung und angeleuchtet vom Widerschein der Flammen, sah er noch schauriger aus. Ich blieb stehen und blickte genau hin. Eins war mir klar.
In der nächsten halben Stunde würde es zwischen ihm und mir zu einem mörderischen Duell kommen. Und ich war mir nicht sicher, wer Sieger bleiben würde…
***
Sie hatten alles vorbereitet. Kleine Holzstapel bildeten einen Kreis um das rechteckige Gerüst.
Zwischen den Stapeln befand sich soviel Zwischenraum, dass ein Mensch bequem hindurchgehen konnte. Es roch penetrant nach Benzin, denn die Stapel waren mit dem Zeug getränkt worden.
Neben jedem Stoß stand ein Wärter. Geduldig warteten die Männer auf die Rückkehr der anderen. Nach wie vor lag Suko gefesselt auf der Plattform. Er hatte alle Vorbereitungen mit ansehen müssen und immer wieder versucht, sich von den Fesseln zu befreien.
Es hatte nicht geklappt, aber durch das dauernde Drehen und das kräftige Ein- und Ausatmen hatte sich der Chinese ein wenig mehr Spielraum verschafft.
Die Stricke saßen nicht mehr ganz so fest, sie schnürten ihm auch kaum noch die Luft ab.
Suko konnte sogar seinen Arm bewegen.
Er hatte wieder Hoffnung.
Und bis Mitternacht rann noch viel Wasser die Themse hinunter.
Doch seine Hoffnungen wurden brutal zerstört, als die andere Gruppe zurückkehrte.
Die Männer brachten zwei Gefangene mit und eine Gruppe Kinder. Eine Gefangene wurde getragen und auf das Podest gehoben, wo Suko lag.
Die andere blieb unten. Sie schimpfte. An der Stimme erkannte der Chinese die rothaarige Diana Redford.
»Lasst mich frei!« brüllte sie. »Ihr seid doch verblendet, ihr seid Mörder…!«
Etwas klatschte, und das Girl verstummte.
Suko biss sich vor Wut auf die Lippen, und eine kalte Gänsehaut rann über seinen Rücken, als er sah, wen die Männer auf das Podest legten.
Shao!
Obwohl Suko damit gerechnet hatte, traf es ihn hart. Sie hatten das Girl erwischt.
Und Shao sollte mit ihrem Freund zusammen sterben!
Oder war sie schon tot? So leblos, wie sie in den Armen der Bewacher lag, kam es ihm fast so vor. Die Männer legten die Chinesin neben ihren Freund.
Suko drehte den Kopf und schielte zu ihr hin.
Nein, Shao atmete. Sie war nicht tot.
Auch sie wurde gefesselt. Die Männer gingen geschickt zu Werke. Sie banden die Fesseln jedoch vor Shaos Körper zusammen und nicht wie bei Suko auf dem Rücken.
Doch machte das einen Unterschied? Jetzt, wo es wirklich ums Ganze ging?
Kaum. Ihre Chancen sanken rapide. Zudem waren Sukos Befreiungsversuche noch nicht so weit geschritten, dass er die Fesseln hätte abstreifen können. Noch immer saßen sie zu fest.
Die Männer sprangen vom Podest und ließen ihre beiden Gefangenen allein zurück.
Suko zischte den Namen seiner Freundin.
Keine Reaktion.
Er rief ein zweites und ein drittes Mal - und hatte Erfolg. Shao öffnete die Augen.
»Ich bin's«, sagte Suko. Er lächelte sogar, was ihm in seiner
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