0112 - Die Drachensaat
zu ihr und nehmt ihr die Pistole ab!«
Diesen Befehl hatte Shao gefürchtet. Ihr war klar, dass sie gegen die Übermacht nichts ausrichten konnte. Die Kerle waren zwar alle bewaffnet, doch nachdem die Kinder aus der Höhle gekrochen waren, hatten sie ihre Schießprügel gesenkt, so dass die Mündungen zu Boden zeigten. Shao bedrohte den Anführer. Aus den Augenwinkeln behielt sie auch die anderen im Blickfeld. »Lasst die Kinder laufen!« rief sie laut.
»Wenn nicht, schieße ich!«
Die Männer zögerten. Sie starrten Shao nur an. Böse, gemein, hinterlistig.
»Macht schon!« Jetzt kippte Shaos Stimme fast über. Sie fühlte sich der Situation nicht mehr gewachsen und begann zu zittern. Ihr Herz schlug hoch oben im Hals. Trotz ihrer Waffe kam sie sich verdammt schwach vor. Da aber griff Diana Redford ein. Sie war nicht stehengeblieben, sondern hatte einen Bogen geschlagen. Dadurch gelangte sie in den Rücken der Männer, und mit einem blitzschnellen Griff wand sie einem das Gewehr aus der Faust. Der Mann wollte nach Diana schlagen, doch das Girl drückte ihm blitzschnell den Waffenlauf in den Rücken. »Bleib nur stehen!« flüsterte sie rau. Der Mann gehorchte.
Diana trat einen Schritt zurück. Sie schaute zwischen den Drachendienern hindurch und rief: »Okay, Shao, jetzt sind wir am Drücker! Du kannst weitermachen!« Der Chinesin fiel ein Stein vom Herzen. Der Drachenmensch gab nicht auf. Er stemmte seine Arme in die Hüften und drehte sich um, so dass er Diana Redford anschauen konnte. Aus seinem Maul drang ein böses Lachen.
»Willst du auch sterben?« höhnte er. »Vielleicht wie dein sauberer Freund Rocco?«
Diana zuckte zusammen. »Was hast du mit ihm gemacht?« fragte sie mit einer Stimme, die so klang, als würde sie gar nicht mehr zu ihr gehören.
»Er hat das bekommen, was er verdiente. Eine Kugel!« schrie Cutler zurück.
Diana wurde blass. Ihre Hände krampften sich um die Waffe.
King Cutler lachte.
Diana Redford ging zur Seite. Plötzlich hatte sie keinen Blick mehr für die Männer und die Kinder. Sie sah nur noch den Drachenmensch.
»Du hast ihn getötet!« keuchte sie. »Du verdammte Bestie, du Hund…«
»Diana, nicht!« rief Shao scharf, sie ahnte, was das Girl vorhatte. Doch Diana Redford war nicht mehr zu stoppen.
Zorn, Trauer und Hass mischten sich zu einer gewaltigen Woge, die sie förmlich überschwemmte. Sie drückte ab.
Laut peitschte der Schuß. Obwohl Diana noch nie geschossen hatte, traf sie.
Die Kugel klatschte gegen das Drachenmaul des menschlichen Ungeheuers. Cutler schrie wütend. Mit einem Satz sprang er vor - und genau in die Flugbahn der zweiten Kugel. Diesmal wurde er am Hals getroffen, aber dort, wo der Schuppenpanzer war und die Kugel ihm nichts antat. Zu einem dritten Schuß ließ er Diana nicht mehr kommen.
Er reagierte.
Shao hatte in den letzten Sekunden still auf ihrem Platz gestanden. Als Diana das zweite Mal schoss, erwachte auch sie aus ihrer Starre.
Sie warf sich nach vorn - und feuerte.
Genau in dem Augenblick, als Cutler sein Maul aufriss und eine Flammenlohe ausspie.
Das Silbergeschoß hieb in seinen hässlichen Schädel, die Feuersbrunst stockte auf halbem Weg, so dass Diana Redford nicht in Gefahr geriet, von ihr verbrannt zu werden. Die Lohe drang nicht mehr aus dem Maul des Drachenmenschen, sondern erstickte zwischen den Kiefern. Cutler selbst stieß einen unartikulierten Schrei aus, warf die Arme hoch, schüttelte wild seinen Kopf und fiel dann zu Boden.
Er schrie und wälzte sich ein paar Mal um die eigene Achse, während seine Freunde aus weit aufgerissenen Augen dem Todeskampf zusahen. Cutler starb.
Plötzlich verlor der hässliche Schädel seine grüne Farbe. Die harte Haut wurde weich wie Gummi. Die Schuppen fielen ab, die Augen verschwanden in den Höhlen, und der gesamte Kopf schrumpfte zusammen. Es war ein schrecklicher Anblick.
Die Kinder weinten. Sie drückten sich mit ihren Gesichtern gegen ihre Väter und schluchzten.
Diana und Shao hatten die Lippen zusammengepresst. Das rothaarige Girl war gerettet worden, Shao hatte durch ihren Schuß den Drachenmenschen getötet.
Doch wie ging es weiter?
Wie würden die anderen reagieren?
Noch standen sie stumm da und starrten auf ihren Anführer, dessen Kopf immer mehr schrumpfte und zum Schluss nicht größer war als eine Faust.
Es bedeutete das Ende des Drachenmenschen. King Cutler starb!
Shao atmete auf.
Und Diana Redford?
Sie blickte aus großen Augen auf das Etwas, was einmal
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