0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong
wollen.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Unmöglich, mein Goldkind«, kaute ich zwischen den Zähnen hervor. »Sagen Sie dem Boß nur, daß wir erstens aus New York kämen, daß zweitens die Sache verdammt wichtig wäre, und daß drittens in seinem eigenen Interesse eine gewisse Eile geboten ist.«
Das Mädchen musterte uns erstaunt. Nach einem kurzen Nachdenken erhob sie sich und sagte:
»Warten Sie bitte. Ich werde Mister Chin Tse verständigen. Wie sind Ihre Namen?«
»Cotton und Decker«, knurrte ich ein wenig undeutlich, so daß sie mich bestimmt nicht völlig klar verstehen konnte.
Sie verschwand durch eine doppelflügelige Glasschwingtür. Es dauerte vielleicht zwei Minuten, bis sie wiederkam. Sie hielt uns einen Flügel der Glastür auf und sagte freundlich:
»Bitte, kommen Sie mit!«
Well, wir folgten ihr durch den Flur. Ich gebe zu, daß ich eine gewisse Spannung spürte. Würden wir einem Mann gegenüberstehen, der Chef einer Opiumbande war — oder wurde Chin Tse bei der ganzen Sache mit seinem Tee ebenso betrogen wie die Zollbehörden?
Wir waren in Hongkong, aber wir betraten nicht etwa ein chinesisch eingerichtetes Gemach, sondern ein Office, wie Sie es überall in der Welt finden können. Schreibtisch, zwei Aktenschränke, ein paar Sessel um einen Rauchtisch — das war die Einrichtung, nicht zu kostbar, nicht zu billig, wie es einem soliden, mittleren Unternehmen ansteht.
Hinter dem Schreibtisch saß ein alter Chinese von vielleicht fünfundsechzig Jahren. Er stand'bei unserem Eintreten nicht auf, aber bei seinem Alter war das zu verzeihen.
Ich sah mich um und gab der hinter uns wartenden Sekretärin einen knappen Wink. Sie warf mir einen empörten Blick zu und machte auf ihren hohen Absätzen kehrt, um die Tür von draußen zu schließen.
»Was wollen Sie?«
Die Stimme des Alten kam aus einem zahnlosen Mund, und ich mußte mir große Mühe geben, um ihn überhaupt zu verstehen.
Phil winkte mir. Ich nickte. Ohne Einladung nahmen wir so Platz, daß praktisch jeder von uns beiden an einem anderen Ende des Schreibtisches saß. Der Alte hob seine knochige, dürre Hand und tastete unter der Schreibtischplatte nach etwas.
»Keine Angst«, sagte ich schnell. »Wir wollen Ihnen nichts tun. Sie brauchen keinen Alarmknopf zu betätigen. Wir sind völlig friedlich.«
Seine Hand zögerte.
»Fen Sa Chu ist verhaftet«, sagte ich dann aufs Geratewohl.
»Fen Sa Chu? Wer ist das?«
»Der Besitzer eines Speiselokals in New York, das gleichzeitig auch eine Spelunke für Opiumsüchtige war.«
Der Alte verzog keine Miene.
»Und warum erzählen Sie mir das?«
Ich steckte mir eine Zigarette an, blies nachdenklich und betont langsam die Flamme des Feuerzeuges aus und sagte dann langsam:
»Raten Sie mal, Chin Tse…«
***
Hätten wir uns in Hongkong ebenso ausgekannt wie Li Yu Tang, hätten wir eine gute Stunde früher bei Chin Tse sein können als es tatsächlich geschah. So aber war uns genau Li Yu Tang um eine Stunde zuvorgekommen.
Als sie die Vorhalle betreten hatte, war auch sie zuerst auf die Sekretärin gestoßen. Li Yu Tang sah sie ein wenig herablassend an, dann erklärte sie: »Ich möchte Chin Tse sprechen.«
Die Sekretärin kniff die Augen ein wenig zusammen, als ob sie kurzsichtig sei, polierte betont ihre Nägel und sagte dabei verletzend kühl:
»Ich glaube kaum, daß Herr Chin Tse das Bedürfnis hat, mit jeder x-beliebigen — hm! — Dame zu sprechen.« Li Yu Tang lächelte. Sie war nicht zu beleidigen. Gelassen drehte sie sich um und ging zu der Glasschwingtür.
»Ich werde Chin Tse auch ohne Ihre Hilfe finden. Und ich rate Ihnen nicht, mir dabei Schwierigkeiten machen zu wollen. Dieses Ding ist nicht nur geladen, es geht manchmal auch los — bestimmt jedenfalls, wenn ich abdrücke.«
Li Yu Tang hatte auf einmal eine winzige Damenpistole in der Hand, die zwar nach Spielzeug aussah, aber garantiert keines war. Ohne sich um die vor Schreck kreidebleiche Sekretärin weiter zu kümmern, ging Li Yu Tang durch die Tür und den Flur entlang. Als er sich gabelte, blickte sie kurz in beide Richtungen, entschied sich mit sicherem Urteil für den Flur, der den besseren Teppich hatte, und fand auch auf Anhieb die richtige Tür.
»Bleiben Sie sitzen, Chin Tse, machen Sie keine Dummheiten und lassen Sie mich zwei Sätze sprechen, bevor Sie Alarm schlagen«, sagte Li Yu Tang, als sie eintrat und der alte Chinese schon nach dem Klingelknopf tastete.
Zögernd zog der Alte die Hand wieder
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