0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong
probierte es nach seinem Rezept mit brühheißem Tee und mußte die Feststellung machen, daß Phil doch recht gehabt hatte.
Nach dem Bade machten wir uns auf den Weg in den Speisesaal, um zunächst einmal unseren knurrenden Magen zu befriedigen.
Selbstverständlich hatten wir uns nicht als FBI-Beamte in das Hotelbuch eingetragen. »Wenn man eine Maus jagen will, darf man sich nicht eine bimmelnde Glocke um den Hals hängen«, sagte Phil in einem Anflug von Tiefsinn. »Was wollen wir als Beruf angeben?«
Ich zuckte die Achseln. Offen gestanden hatte ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht.
»Wie wär's mit Reporter?« schlug Phil vor.
Ich nickte.
»Okay. Ich glaube, das kann man tun. Allerdings fehlen uns dazu eigentlich ein oder zwei Kameras. Ein Reporter ohne Kamera ist eigentlich nicht denkbar?«
»Stimmt«, nickte Phil betrübt. »Was dann?«
»Wir schreiben ›Vertreter‹ ins Gästebuch«, entschied ich. »Darunter kann man heutzutage alles mögliche verstehen.«
Dabei blieb es. Wir behielten unsere echten Namen bei und änderten also lediglich unseren Beruf um. Nachdem wir diese Formalität erledigt hatten, machten wir uns auf den Weg.
Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in Hongkong gewesen sind. Wenn nicht, dann stellen Sie sich zuerst einmal eine unwahrscheinliche Menge von Leuten vor, Weiße und Chinesen, aber auch Inder, Malayen und Eingeborene von allen Kontinenten, die sechzig verschiedene Sprachen durcheinander sprechen. Überall stehen Tische und Werkzeuge und Verkaufsstände herum — vor allem auf den Straßen. Es herrscht Linksverkehr, da Hongkong von den Engländern verwaltet wird. Aber im Grunde herrscht hier überhaupt kein geordneter Verkehr. Jeder versucht so gut und so schnell wie möglich durchzukommen.
An den Verkaufsständen wird gefeilscht wie in orientalen Basars. Man verkauft alles Erdenkliche — für uns Unverständliches. Wie das in Asien nun einmal so ist, bildet ein großer Teil des Warenangebots sinnloses Zeug, für das kein vernünftiger Mensch bei uns nur einen Cent ausgeben würde. Päckchen mit zweifelhaftem Inhalt werden angeboten, den man verbrennen muß, weil der dann entstehende Rauch die bösen Geister abhält — falls man an böse Geister glaubt.
Allerlei Unsinn dieser Art sahen wir, als wir durch die Straßen Hongkongs bummelten. Eine Menge fremdartiger Dinge gab es natürlich auch, deren Sinn uns verschlossen blieb. Wir konnten uns nicht darum kümmern, denn schließlich waren wir nicht nach Hongkong gekommen, um völkerkundliche Studien zu betreiben.
Zuerst suchten wir eine Buchhandlung auf und kauften uns einen Stadtplan. Damit setzten wir uns auf eine Treppe, weil wir sahen, daß sich hier offenbar neun Zehntel des ganzen Lebens auf der Straße abspielte. Wir fanden mühsam unseren augenblicklichen Standort und suchten von hier aus die Richtung nach West Bay Road.
Es war garantiert ein Weg von einigen Kilometern. Wir entschieden uns deshalb für ein Taxi.
Es wurde von einem jungen Chinesen gesteuert, der offenbar noch nie etwas von Geschwindigkeitsbegrenzungen gehört hatte. Seine gewaltige Hupe ertönte fast ununterbrochen. Ich halte mich für einen guten Fahrer, aber mit den halsbrecherischen Kunststücken, die sich unser Fahrer leistete, hätte ich nicht in Konkurrenz treten können.
Aufatmend stiegen wir aus, als wir unser Ziel erreicht hatten. Phil zahlte, und ich sah mir unterdessen den Bau an, vor dem wir standen.
Es war ein flaches, zweistöckiges Haus, das nicht mehr ganz modern wirkte. Ich hatte unter dem hochtrabenden Namen eine wesentlich größere Firma erwartet.
»Komm«, sagte Phil, als er mit dem Fahrer handelseinig geworden war.
Wir gingen zu der einzigen Tür hin, die sich an der Vorderfront dieses Gebäudes finden ließ. Gleich hinter der Tür stieß man fast gegen einen runden Tisch, an dem eine junge Dame von recht ansprechendem Äußeren saß. Man konnte sie für einen Mischling halten, aber ich war mir dessen nicht sicher. Sie sah uns fragend an.
»Hallo!« sagte ich und gab mir Mühe, mein Benehmen ein bißchen rüde erscheinen zu lassen. »Wir möchten den Boß dieser Bude sprechen!«
»Mit welchem Boß?« fragte sie kühl zurück.
»Mit dem allerhöchsten«, sagte Phil und deutete mit der Hand in eine symbolische Höhe.
»Mister Chin Tse ist sehr beschäftigt«, versicherte das hübsche Mädchen. »Ich weiß nicht, ob er Sie empfangen kann. Bitte, nennen Sie mir die Angelegenheit, die Sie mit ihm besprechen
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