0115 - Invasion der Riesenkäfer
bei ihrem Mann gelernt. Sie konnte auch die einzelnen Gewehrarten unterscheiden. Der Schuß, den sie gehört hatte, war aus der Waffe ihres Mannes aufgeklungen.
Gefahr!
Jack befand sich in Gefahr. Denn niemals schoß er ohne Grund.
Lena spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Zum Glück wußte sie, wo sich ihr Mann ungefähr aufhalten mußte. Und in diese Richtung hetzte sie los.
Diesmal trieb sie die Angst voran und beschleunigte ihre Schritte.
Unbewußt brachte sie den Schuß mit der Existenz des Hauses und dessen Besitzers in Verbindung. Sie glaubte, daß dieser Gregori auf ihren Mann getroffen und mit ihm im Streit geraten war. Hoffentlich ist Jack nichts zugestoßen, betete sie. Hoffentlich nicht…
Sie lief nicht auf den Wegen, sondern quer durch das Gelände. So kürzte sie ab, auch wenn dieser Weg beschwerlicher war als der normale.
Die Beine wurden immer schwerer. Unter diesen dichten Wipfel war die Luft für Anstrengungen dieser Art das reinste Gift. Ihre Lungenflügel pumpten, manchmal drehten sich auch Kreise vor den Augen der Frau.
Lena Burtles mußte pausieren, ob sie es wollte oder nicht. Erschöpft lehnte sie sich gegen einen Baumstamm. Für einen Moment schloß sie die Augen. Ihren Herzschlag spürte sie im Hirn, das Blut rauschte durch ihre Adern und war als dumpfes Brausen in ihren Ohren zu vernehmen.
Lena riß sich zusammen und lief weiter. Sie mußte den Platz bald erreicht haben, lange würde sie nicht mehr zu laufen haben. Mehr torkelnd als laufend bewegte sie sich voran.
Und dann stieß sie gegen etwas Weiches. Sie konnte nicht sofort stoppen und wankte darüber hinweg. Mit den Händen hielt sie sich an einem niedrig hängenden Ast fest, drehte sich und schaute zurück.
Dort lag ein Toter!
Ihr Mann!
Weit riß sie die Augen auf. Das kalte Entsetzen sprang die Frau an wie ein wildes Tier. Plötzlich klapperten ihre Zähne aufeinander, als würden Fieberschauer ihren Körper peinigen.
Sie sah die Leiche, und sie erkannte nur an der Kleidung, daß Jack vor ihr lag.
»Nein!« schluchzte sie und schüttelte wild den Kopf. Wie eine riesige Woge kam der Schmerz. Für einen Moment sah es so aus, als würde Lena neben dem Toten zusammenbrechen, doch irgend etwas trieb sie herum.
Lena Burtles warf sich in den Wald hinein. Laut schreiend rannte sie weg von dem Platz des Grauens.
Die Flucht war ihr Glück, und der lauernde Käfer sah sich um ihr zweites Opfer betrogen…
***
Eigentlich hatte ich schon früher fahren wollen, doch Sir Powell bat mich noch einmal zu sich.
Vor seinem Schreibtisch nahm ich Platz.
»Bitte berichten Sie«, sagte mein Chef.
Viel war es nicht, was ich ihm zu sagen hatte. Der Superintendent sah es auch ein und nickte bedeutsam.
»Dann steht es also gar nicht fest, ob dieser Mord in Ihren Bereich fällt.«
»Nein, Sir.«
»Bleiben Sie trotzdem am Ball. Ich habe das Gefühl, daß mehr hinter der Sache steckt.« Mit einem Tuch wischte Sir Powell über seine Stirn. Er trug trotz der Hitze einen korrekt sitzenden Anzug und hatte eine Krawatte umgebunden.
»Ich hätte mich auch so einfach nicht aus dem Rennen werfen lassen, Sir.« erwiderte ich. »Dieser Gregori ist mir nicht ganz geheuer. Und sein Leibwächter auch nicht.«
Sir Powell hob mit spitzen Fingern ein Blatt hoch. »Ich habe über den Mann nachforschen lassen. Es liegt nichts Negatives gegen ihn vor. Die Fachwelt lobt ihn sogar in den höchsten Tönen.«
»Das hat nicht viel zu bedeuten.«
»Gut, wie Sie meinen.«
Mit diesen Worten war ich entlassen. Auf dem Flur kam mir die schwarzhaarige Glenda entgegen.
»Heute machen Sie sich rar«, sagte meine Sekretärin.
»Der Streß hält mich gefangen.«
»Man sieht’s Ihnen direkt an.«
Glenda trug eine Weinflasche in der Hand. Ich zeigte darauf.
»Für wen ist die denn bestimmt?«
»Eine Kollegin hat Geburtstag. Da will ich ihr die Flasche schenken.«
»Wissen Sie, wer der Beschützer aller Weinhändler ist?« fragte ich.
»Nein.«
Ich grinste. »Der Panschen Lama.«
Ihr Lachen hörte ich noch, als ich bereits meine Bürotür aufzog.
Ich nahm Waffen mit. Meine Beretta, das Kreuz und die Gnostische Gemme. Die Sachen mußten reichen, obwohl mir das Kreuz bei meinem letzten Fall nicht geholfen hatte. Die Samurais zeigten sich immun gegen das christliche Symbol.
Ich war froh, aus meinem Büro verschwinden zu können, denn die Luft dort war nicht gerade etwas für eine fröhliche Lunge. Die Klimaanlage war nämlich defekt, und da konnte man es in
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