0117 - Der Rattenkönig
nicht sofort geöffnet wurde.
»Aufmachen!« brüllte er. »Aufmachen!«
Die Menschen reagierten nicht.
Peter trommelte weiter.
Seine Frau stand neben ihm. Sie hatte den Kopf gedreht und schaute zurück.
Vom Strand her kamen die Ratten.
Sie hatten bereits die Promenade erreicht und jagten in Pulks über die Straße. Welchen Grund sie für diesen Wechsel hatten, wußte keiner. Es interessierte auch niemanden.
Joyce schrie. Sie hatte rasende Angst. Sollte alles umsonst gewesen sein? Warum rührten sich die Menschen denn nicht? Sie konnten doch nicht zusehen, wie die Ratten sie angriffen!
Da endlich wurde die Tür geöffnet. Ein Hotelangestellter schloß auf. Peter packte seine Frau, schleuderte sie zur Seite und drückte sie durch den Spalt. Helfende Hände zerrten sie in das Innere der Halle.
Dann war Peter an der Reihe.
Doch die ersten Ratten waren bereits da.
Peter machte zwei große Schritte, als sich vier Biester gleichzeitig abstießen. Sie flogen auf den Mann zu und zielten dabei auf seinen Rücken.
Peter Harding warf sich nach vorn.
Mit letzter Kraft gelang es ihm, durch den Türspalt zu hechten.
Die vier Ratten befanden sich noch im Sprung. Drei von ihnen prallten gegen das stabile Glas der Tür. Die vierte jedoch hatte einen anderen Sprungwinkel genommen. Sie wischte durch den Türspalt und fiel dem Flüchtenden zwischen die Beine.
Einige Frauen schrien hysterisch, als sie das Tier sahen. Es hatte zwar zugeschnappt, jedoch im Fallen, und so hatten die nadelspitzen Zähne Hardings Wade verfehlt.
Der Hotelangestellte warf die Tür zu. Peter Harding fiel zu Boden. Er war restlos erschöpft, ausgepumpt.
Die Ratte drehte sich im Kreis. Sie quiekte böse, während ihre Artgenossen immer wieder gegen die Glastür sprangen und nicht fassen konnten, daß es für sie keinen Ausweg gab.
Die vierte Ratte bekam den Haß der Menschen zu spüren. Sie wurde totgeschlagen.
Langsam erhob sich Peter Harding. Er zitterte am gesamten Körper. Seine Blicke irrten durch die gefüllte Halle. Er suchte seine Frau.
»Wo ist Joyce?« fragte er.
»Meinen Sie damit Ihre Frau?« wurde er gefragt.
»Ja.«
»Man hat sie in einen Nebenraum gebracht. Sie war sehr erschöpft. Dort kann sie sich ausruhen.« Der Hoteldirektor gab ihm diese Auskunft, und Peter war beruhigt.
Jedoch nur zwei Sekunden. Dann fiel ihm Sweety ein. »Und wo steckt mein Kind?« fragte er. Es fiel ihm schwer, den Satz überhaupt zu formulieren.
»Ihr Kind?« Die Menschen schauten sich ratlos an.
»Ja!« schrie Peter. »Meine kleine Tochter. Ich habe Nachbarn Bescheid gegeben, auf Sweety aufzupassen, solange wir im Wasser waren.«
»Nichts gesehen«, bekam Peter Harding von jedem zur Antwort.
»Vielleicht ist sie in ein anderes Hotel gebracht worden«, versuchte der Direktor ihm Mut zu machen.
Peter schaute ihn an. Seine Augen waren blutunterlaufen. »Nein, das glaube ich nicht. Ich werde Sie suchen.«
»Sie wollen wieder nach draußen?«
»Wenn es sein muß – ja!«
»Aber das ist lebensgefährlich, Mister.«
»Glauben Sie denn, daß ich hier nur herumsitzen und meine Hände in den Schoß legen kann, während die verdammten Ratten…« Er verstummte, riß seine Augen weit auf und rannte weg. Die anderen Menschen schauten ihm mitleidig nach.
Peter Harding hatte sich in den letzten Minuten wieder gefangen.
Er war nicht mehr so kraftlos wie zu Anfang. Wie ein Wilder stürmte er durch das Hotel und schrie Sweetys Namen.
Er gelangte auch an die Rückseite, wo ebenfalls große Glasfenster einen Blick nach draußen freigaben.
Dort sah er die Ratten.
Sie rannten weg, landeinwärts. Die gewaltige graue Masse schob sich voran. Und an der Spitze lief eine Gestalt, die alle überragte und groß war wie ein Mensch.
Ein Mensch?
Nein, eine lebensgroße Ratte.
Sie hielt etwas in den Armen. Peter Harding erkannte einen kleinen Körper, blondes Haar – und…
Es war Sweety!
***
Ein gellender, markerschütternder Schrei drang aus seinem Mund.
»Sweety!« brüllte er. »Sweety!« Er wollte das Fenster aufreißen, um hinauszukriechen, doch er fand keinen Riegel. Die Scheibe war durchgehend eingesetzt worden, ohne Fensterriegel. Das Hotel besaß auch eine Klimaanlage, aus diesem Grund hatte man die Fenster so angelegt.
Die Ratten entfernten sich immer mehr. Sie liefen schneller und schneller. Die Riesenratte hielt das Tempo mit.
Bald verschwanden sie zwischen den kleinen Häusern von Southwick, und Peter Harding konnte auch seine Tochter nicht
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