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012 - Der Schatten des Vampirs

012 - Der Schatten des Vampirs

Titel: 012 - Der Schatten des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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wären die Gummibäume erstickt.
    Die Machadila in der Hand, manchmal auch mit der Hacke, verteidigten Santiago und seine Kameraden ihre Bäume. Wenn sie von dieser Arbeit nach Hause kamen, waren sie völlig erschöpft. Sie hatten die Haut voller Beulen, denn die Carapanas hatten sie zerstochen. Der Kampf gegen den hundertköpfigen Urwald entnervte sie, und sie fragten sich, ob ihre Arbeit hier denn irgendeinen Sinn hatte. Denn morgen waren für eine abgehauene Liane zwei nachgewachsen.
    Es folgten durchwachte Nächte in der Posada und endlose Pokerpartien, die oft mit Messerstechereien endeten. Concha, die laut Vertrag jeden Abend auftreten musste, kam nur, wenn Santiago auch mitging. Sie blieb der Gegenstand aller männlichen Begierden. Man betrachtete sie fast als Idol. Concha musste sich zwar von allen anstarren lassen, aber sie gehörte allein Santiago, das war nun allen klar geworden.
    Dennoch blieb sie ein Lichtblick in dem freudlosen Dasein der Desperados. Concha – das war etwas anderes als die Pflanzung, als die Posada, als der Dschungel – das erinnerte von fern an ein besseres Leben da draußen. Freilich schlich da auch noch Felipe herum, dem sie Unglück gebracht hatte. Aber der war ja längst nur noch ein Schatten. Er tat seine Pflicht und war froh, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Denn die Arbeit in der Pflanzung wäre für ihn in seinem jetzigen Zustand viel zu schwer gewesen, er hätte sich nicht ernähren können.
    Keiner wusste, ob er das Zauberlied schon vergessen hatte. Ganz selten flackerten seine Augen einmal auf, wenn er Concha und Santiago zusammen sah. Aber dann schlug er den Blick bescheiden nieder und blieb gehorsam, zurückhaltend, fast körperlos.
    Das Paar hörte das Lied oft. Beide konnten weder die Melodie noch den Rhythmus vergessen. Sie sprachen nicht miteinander darüber. Im Gegenteil, jeder verbarg solche Anfälle sorgfältig vor dem anderen. Auffällig oft sangen sie irgendwelche Melodien vor sich hin. Das waren immer Versuche, die Teufelsmusik zu verdrängen. Es gelang ihnen aber sehr selten, am wenigsten, wenn das Fieber sie wieder einmal gepackt hatte.
    Einmal, als Concha krank im Bett lag und trotz des Chinins delirierte, sang sie die Zaubermelodie.
    Santiago versuchte sie zum Schweigen zu bringen, indem er ihr die Hand auf den Mund presste. Aber um nicht zu ersticken, wehrte sich die Kranke und biss ihn in den Finger. Er musste aufgeben und blieb schlaflos auf seinem Bett liegen, denn für ihn bedeutete diese Tatsache die Rückkehr der schwarzen Mächte. Wollten sie ihm vielleicht zeigen, dass sie nicht aufgegeben hatten, trotz Felipes Niederlage, die wie endgültig aussah?
    Vielleicht war das auch alles nur Einbildung …
    Ihm kam es jedenfalls so vor, als hätte es eines Abends wieder angefangen – eines Abends, als es in Strömen goss.
    Es war schon spät gewesen. Concha hatte ihre letzte Nummer beendet, und er hatte sie abgeholt, mit einem alten Ledermantel, in den er sie ganz einwickelte. Die Luft war schwer und feucht, als sie nach Hause gingen. Der Regen prasselte auf die Dächer der Hütten. Es klang wie leises Weinen. Alles war überschwemmt.
    Auf den Wegen bildeten sich Bäche, man versank im Schlamm. Die Tropfen klimperten in Millionen Varianten auf den Blättern der Bäume. Sie fielen in die kleinen Rinnsale, die sich vereinigten, immer größer wurden und schließlich auf Umwegen in den Amazonas mündeten. Alles war in einen feuchten Dunst gehüllt, der einem das Blut zu Kopf steigen ließ.
    An diesem Abend hatten eine ganze Menge der Seringueiros in der Posada gefehlt, das Fieber hatte sie niedergeworfen. Aus dem Urwald klang ein dumpfes Geräusch, er sog gierig die Feuchtigkeit auf, die ihm der Himmel sandte. Denn ohne Wasser musste der Dschungel sterben, es war sein Lebenselixier. Dieser Regen konnte Wochen und Monate dauern, es würde ihn nur ungeheuer beleben. Umso besser konnte er dann die Zeiten der Trockenheit überstehen, wenn die Sonne die Flüsse austrocknete. Die Erde, das Moos und die grünen Blätter, die Knospen, die Blüten, das welke Laub und die Dornen, alles was den grünen Kosmos bildete, bebte unter dem Himmelssegen. Es war ein mächtiges Rauschen, das unter den Seringueiros Schrecken hervorrief. Sie hätten sich unter diesen Umständen nie in den Dschungel gewagt, kaum in die Pflanzung, die in Nacht und Regen dem Urwald immer ähnlicher wurde.
    Santiago nahm Concha den triefenden Mantel ab. Sie lachte und drehte sich um sich

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