Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
012 - Der Schatten des Vampirs

012 - Der Schatten des Vampirs

Titel: 012 - Der Schatten des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
Vom Netzwerk:
Verrückte und Narren auf der ganzen Welt mit einer gewissen Scheu behandelt werden. Man nimmt sie zwar nicht für voll, aber man tut ihnen auch nichts. Er war nicht ganz richtig im Kopf – das ließ ihn in den Augen der anderen als harmlos verrückt, erscheinen –, und so hatte er auch den Spitznamen bekommen.
    Das war also Felipes Schicksal.
    Er beklagte sich nie, und niemand wusste, was er eigentlich dachte. Er war ein folgsamer Diener, und mehr verlangten Santiago und Concha nicht von ihm. Sie empfanden ihm gegenüber eine Art geheimnisvoller Verpflichtung. Nachdem Santiago ihn geschont hatte, musste er sein Leben auch irgendwie erhalten. Aber andererseits fürchtete er immer noch okkulte Machenschaften. So erschien es ihm am besten, ihn wie einen Hund zu halten und jede Flucht zu verhindern. Auch die anderen im Dorf dachten so und hätten jeden Fluchtversuch Felipes unterbunden. Niemand wünschte, dass er vielleicht ins Tal des Todes entwischte, um bei der Bruja neue Zaubermelodien zu lernen, die weiteres Unheil über die Menschen bringen konnten.
    Doch da waren wohl seine verkrüppelten Füße das beste Mittel gegen weite Ausflüge. Und dass er auf ein Pferd steigen könnte, glaubte niemand mehr. So gehörte er allmählich in seiner neuen Rolle wieder dazu. Man hatte sich an ihn gewöhnt als „El Dondo“, Felipe war vergessen. Nur nicht für Concha und Santiago.
    Denn er war ihnen immer noch nicht geheuer. Die Erinnerungen verbanden sie alle drei. Es waren Erinnerungen an Wollust und Brutalität, Eifersucht und Hass, an Leidenschaft und Blut.
    Concha wünschte sich manchmal, Felipe nie mehr zu sehen, weit fort oder tot. Aber rasch nahm sie solch einen Gedanken wieder zurück, denn das war ja Sünde. Manchmal fragte sie sich auch, ob der, der einst Felipe war, nicht doch noch gewisse Rechte über sie habe, denn die „Limpia“ war ja unterbrochen worden und hatte daher keine Wirkung gehabt. Aber auch tot wäre er gefährlich gewesen. Sie hatte „Mamas“ Warnung nicht vergessen.
    Vielleicht würde er über das Grab hinaus seine verfluchte Melodie hören lassen.
    So war es ihr doch lieber, dass er lebte, obwohl sie sich vor ihm ekelte. Dabei hatte sie sich nicht zu beklagen. Er verhielt sich ruhig und gehorsam. Doch seine Schmerzen beim Gehen, sein hilfloses Humpeln bereiteten ihr schon beim Zusehen Missbehagen.
    Sie hatte Santiago Vorwürfe gemacht, dass er den Unglücklichen so brutal behandelt hatte. Aber Santiago in seinem Aberglauben war überzeugt, dass man gegen übernatürliche Mächte nur mit äußerster Härte vorgehen musste. Er war mit sich sehr zufrieden und fand, dass er genau richtig gehandelt hatte, der Erfolg gab ihm ja recht.
    Tatsächlich verliefen die Tage des jungen Paares harmonisch und ungestört. Natürlich musste Santiago täglich zwölf Stunden in der Pflanzung schuften, natürlich war Concha es längst leid, für. ein kritikloses Publikum zu tanzen – aber sie waren miteinander glücklich. Wenn sie einen Fieberanfall bekamen, dann stopften sie sich mit Chinin voll oder tranken „Mamas“ Gebräu aus geheimnisvollen Kräutern, das immer half.
    Der Gedanke, dass dies hier nicht ewig dauern würde, half ihnen über die Schwierigkeiten hinweg. Manchmal berauschten, sie sich auch an ihren goldenen Träumen wie Kinder. Eines Tages würden sie aufbrechen und Felipe seinem Schicksal überlassen. Sie waren überzeugt, dass weit weg vom Dschungel die Zauber der Bruja keine Kraft mehr haben würden.
    Einmal hatten sie beobachtet, wie Felipe bei der Arbeit vor sich hin trällerte. Sie hörten aus dem leisen Summen ihre Schicksalsmelodie heraus.
    Da hatte Santiago Felipe böse zusammengeschlagen. Wenn Concha nicht eingegriffen hätte, hätte er ihn wahrscheinlich umgebracht.
    Sie hatte ihren Geliebten damit beruhigt, dass sie ihm seine Worte von früher vorgehalten hatte. Er selbst hatte gesagt, dass man den Besiegten am Leben halten müsse.
    Durch den ewigen Regen wurde das Leben immer mühseliger. Der Dschungel wurde undurchdringlich. Die Feuchtigkeit, zusammen mit der Hitze, ließ die Pflanzen wuchern. Der Urwald drang in die Pflanzung ein und drohte die Kautschukbäume zu überwältigen. Plötzlich sah man sich riesigen Gewächsen gegenüber, wo gestern noch nichts war. Lianen wanden sich von Baum zu Baum und drückten den Heveas das Leben ab. Die Arbeiter mussten oft, während der Regen wasserfallartig vom Himmel stürzte, die Pflanzung von den gefräßigen Parasiten befreien, sonst

Weitere Kostenlose Bücher