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012 - Der Schatten des Vampirs

012 - Der Schatten des Vampirs

Titel: 012 - Der Schatten des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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war ganz deutlich, dass sie die Musiker überhaupt nicht mehr hörte.
    Santiago sah sie taumeln wie die Nachtfalter, die sich ins gelbe Licht der Lampe warfen und verbrannten.
    Einer von ihnen fiel zitternd vor Santiagos Füße, der ihn mit dem Stiefel austrat, um seinen Todeskampf abzukürzen.
    Das Publikum wurde unruhig. Die einen waren teilnahmsvoll, die anderen empört.
    Santiago fiel es wie Schuppen von den Augen. Er verstand plötzlich. Er hatte geglaubt, dem Unglück entronnen zu sein – und nun kam es ihm nach, in der Gestalt der Frau, die er liebte.
    Die Musiker brachen ab und zupften nur noch ein wenig an ihren Saiten. Sie konnten gar nicht verstehen, was mit Concha los war. Ihr Versuch, sich dem ständig wechselnden Takt ihrer Schritte anzupassen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt.
    Santiago glaubte den Rhythmus zu erkennen, den sie gegen ihren widerstrebenden Körper zum Ausdruck brachte. Willenlos unterwarf sich ihr Leib einer Gewalt, wie das bisher nur einmal passiert war, damals in der unvergesslichen Nacht der Behexung.
    Concha tanzte nach der Melodie des Zauberlieds. In seinem Alptraum hatte er diesen aufreizenden Rhythmus zum achten Mal gehört.
    Es war das Lied, das Felipe bei der Bruja gelernt hatte. Er hatte es nur ein einziges Mal gespielt, zum Verderben aller drei. Besessen von der vermaledeiten Melodie, erlag Concha ein zweites Mal. Falls sie überhaupt noch etwas empfand, so kämpfte sie dagegen an, aber vergeblich.
    Santiago sprang auf, schob beiseite, was ihm im Weg stand, und brachte die ganze Posada in Aufruhr.
    „Concha!“ schrie er. „Conchita mia, hör auf, tanze nicht mehr!“
    Hörte sie ihn überhaupt?
    Möglich – aber sie tanzte weiter, wie von einem Dämon getrieben.
    Der Seringueiro ging auf sie zu, entschlossen sie zu hindern, weiter diesen entsetzlichen Fado zu tanzen.
    Um Concha zu fassen und vom Tisch zu heben, musste er José zur Seite schieben. Der kleine schwarze Kerl grinste und sagte spöttisch: „Fabelhaft, wie diese hübsche Person allen
    Seringueiros die Köpfe verdreht. Dabei tanzt sie wie ein Holzbock!“
    Santiago machte eine scharfe Kehrtwendung, packte José am Hals und gab ihm eine Ohrfeige.
    Dieser versuchte seine Navaja aus dem Gürtel zu ziehen, aber Santiago ließ ihn unvermittelt los. Concha hatte einen spitzen Schrei ausgestoßen. Er sah gerade noch, wie sie sich taumelnd um sich selbst drehte, als sei ihr schwindelig vom Tanz geworden. Dann fiel sie.
    José wollte sich auf Santiago stürzen, aber die anderen
    Seringueiros traten dazwischen und hinderten ihn daran. Jetzt war wirklich nicht der richtige Moment, um Genugtuung für eine Beleidigung zu verlangen.
    Die „Mama“ und die Mädchen kamen zu dem Tisch gelaufen, den Concha als Bühne benutzt hatte.
    Santiago war schneller als sie und hob Concha herunter. Er behielt sie im Arm und redete begütigend auf sie ein. Sie musste erst wieder zur Ruhe kommen.
    „Komm, bring sie in mein Zimmer“, sagte die Wirtin. „Und ihr – ihr spielt weiter, steht nicht so blöd herum!“ rief sie den Musikern zu. „Die Mädchen sollen sich um ihre Kundschaft kümmern!“
    Die „Mama“ und Santiago trugen Concha hinaus. Doch noch bevor sie das Lokal verlassen hatten, stürzte ein Arbeiter herein und schrie atemlos: „Der Vampir ist da! Ich habe ihn gesehen!“
    Concha war vergessen. Alle Seringueiros stürzten hinaus. Selbst die Musiker ließen ihre Instrumente liegen und rannten, nur um ihre Gewehre zu holen. Der Saal war schon fast leer.
    Zurückgeblieben waren die Mädchen, die die umgeworfenen Tische und Stühle wieder hinstellten und die Scherben der Gläser zusammenkehrten, die bei dem hastigen Aufbruch zerbrochen waren.
    Im Zimmer der „Mama“ schluchzte und weinte Concha. Sie rief nach Santiago, den sie nicht zu erkennen schien, als er sie zärtlich streichelte. Er küsste sie, doch „Mama“ protestierte: „Lass das jetzt. Ich kümmere mich um sie.“
    Sie befeuchtete Conchas Schläfen mit einem Tuch und murmelte dabei Worte, die Santiago nicht verstand. Er ahnte jedoch, dass sie damit die bösen Geister bannen wollte, die von seiner Geliebten Besitz ergriffen hatten.
    Lange weinte Concha, jammerte herzzerreißend und zitterte am ganzen Körper. Nur langsam hörten die Zuckungen auf, und sie entspannte sich. Santiago konnte sehen, wie ihr Körper erschlafft auf das Bett zurückfiel.
    Draußen hörte man Schüsse und Geschrei. Jemand hatte geschossen, weil er die schwarzen Flügel des

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