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012 - Der Schatten des Vampirs

012 - Der Schatten des Vampirs

Titel: 012 - Der Schatten des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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halte sie nach etwas Ausschau.
    Nach dem Bolero tanzte sie einen Paso.
    Wieder fiel Santiago die ungewohnte Steifheit auf, die ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen katzenhaften Grazie stand. Es sah aus, als müsse sie sich heute zum Tanzen zwingen.
    Plötzlich überkam es ihn wie eine Erleuchtung. Concha hatte ihm nach und nach immer mehr Einzelheiten über die bewusste Nacht erzählt, in der Felipe gekommen war, um unter ihrem Fenster das Zauberlied zu spielen. Santiago erinnerte sich genau, wie sie gesagt hatte: „Ich ging steif wie eine Schaufensterpuppe und bewegte mich in einer bestimmten Richtung, die ich mir nicht ausgesucht hatte. Es war, als ob eine fremde Macht mich bewegte, während die wilde Begierde in mir erwachte. Dabei wusste ich genau, dass sie nicht aus meinem Herzen kam. Ich versuchte mich zu wehren, aber ich konnte nicht. Irgendetwas bewegte meine Arme und Beine.“
    Genauso wie jetzt, dachte der Seringueiro bestürzt. Sie rang mit irgendetwas, während sie tanzte, und ihr Tanz wurde von Minute zu Minute unnatürlicher. Sie war keine Frau von Fleisch und Blut mehr, sondern eine Marionette, an deren Drähten eine unsichtbare Hand zog.
    Santiago fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
    Würde wirklich noch einmal alles von vorn anfangen?
    Seine Gedanken wanderten zu Felipe. Aber der konnte es nicht gewesen sein.
    Die Wirtin war vielleicht die einzige Person außer Santiago, die bemerkte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ihre Blicke kreuzten sich, und sie hob fragend die Augenbrauen.
    Verzweiflung erfasste Santiago. Er hätte es mit zehn Felipes aufgenommen, im Einzelkampf oder im Handgemenge. Aber vor den übernatürlichen Kräften des Dschungels hatte er einfach Angst.
    Er tastete nach dem Griff seiner Navaja. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Felipe schon längst erledigt. Aber er hatte sich Conchas Willen gebeugt, halb aus Großmut, halb aus Misstrauen diesem Mann gegenüber, der ihm tot womöglich gefährlicher werden konnte als lebendig.
    Wenn er noch einmal anfängt, nahm er sich vor, kenne ich keinen Pardon mehr, egal was Concha will oder nicht.
    Diesmal wollte er seine Freundin nicht mehr um Erlaubnis fragen.
    Einer der Gäste wünschte sich einen Fado, und die anderen riefen: „Ja, ja, einen Fado, tanz noch einen Fado!“
    Dieser portugiesische Volkstanz war eine Spezialität
    Conchitas und galt als die Krönung ihres Auftritts.
    Sie lächelte, machte den Musikern ein Zeichen und begann.
    Santiago stellte fest, dass sie nicht ein einziges Mal zu ihm herüber geschaut hatte. Das kränkte ihn.
    Sie vermeidet, dass unsere Blicke sich begegnen. Sie hat geradezu Angst davor. Warum nur?
    Vielleicht doch José? Dieser saß unverändert da und starrte Concha fasziniert an.
    Oder Felipe? Aber die Ohnmacht Felipes war bewiesen, seit seinem missglückten Fluchtversuch in der Regennacht und der grausamen Bestrafung, die darauf folgte.
    Was also ist es? fragte sich Santiago.
    Er überlegte, dass, wenn auch Felipe ausgespielt hatte, die übernatürlichen Kräfte ihre Beute noch nicht so ohne weiteres fahren ließen, wenn sie erst einmal beschworen worden waren. Sie tauchten auf wie das geflügelte Nachttier, das über den Köpfen der drei Hauptdarsteller des Dramas kreiste.
    Santiago fühlte sich immer unbehaglicher. Conchas Haltung erinnerte ihn pausenlos an seine Sorgen. Verstohlen tastete er noch einmal nach seiner Waffe in seinem Gürtel. Vielleicht würde er sie heute noch gebrauchen müssen. Aber gegen wen? Ein Messer ist keine gute Verteidigung gegen Zauberkräfte.
    Conchas Anstrengungen, den Fado einigermaßen zu Ende zu bringen, wurden immer verzweifelter. Sogar die Musiker hatten jetzt etwas gemerkt und wechselten erstaunte Blicke. Die Tänzerin hielt nicht einmal mehr den Takt. Die Wirtin schnalzte mit der Zunge, als sie zu dem Tisch kam, auf dem Concha tanzte.
    Diese fand sich überhaupt nicht mehr zurecht. Mit aufgerissenen Augen, als sehe sie eine grässliche Vision, drehte sie sich nur immer um sich selber und klapperte den Tanzrhythmus mit den Absätzen auf die Tischplatte.
    Aber was für einen Rhythmus! War das noch ein Tanz?
    Die Musiker versuchten zuerst ihr Hilfestellung zu leisten,
    aber sie gerieten dabei selbst aus dem Konzept und machten eine wahre Katzenmusik. Die Zuschauer erlebten zum ersten Mal, dass Concha, die sie bisher für die Verkörperung des spanischen Tanzes überhaupt gehalten hatten, aus dem Takt geriet.
    Aber sie tanzte weiter, wie in Trance. Es

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