012 - Der Silbermann
Keiner ging über diesen unsichtbaren Rahmen hinaus. Bestimmt war das der Grund, weshalb wir uns so gut vertrugen. Wir waren ein bestens aufeinander eingespieltes Team. In Krisensituationen bedurfte es niemals vieler Worte. Jeder wußte, was zu tun war und jedem war klar, daß er sich auf den Freund hundertprozentig verlassen konnte.
Gott, wie viele Abenteuer hatten wir schon gemeinsam hinter uns gebracht.
Wie viele lagen noch vor uns?
Nur noch dieses eine?
Hoffentlich nicht.
Mr. Silver studierte die Karte, während ich die Black Dragon durch die azurblauen Fluten stampfen ließ. Kräftige Motoren schoben uns unserem Ziel entgegen. Einem unheilschwangeren Ort.
Was erwartete uns dort? Angst? Schrecken? Tod? Wir konnten sicher sein, daß die Hölle wieder mit stahlharter Faust zuschlagen würde. Doch so leicht waren wir nicht unterzukriegen. Wir hatten viel dazugelernt. Vor allem ich. Ich war kein Greenhorn mehr in diesem außergewöhnlichen Beruf, und ich hatte eine wahre Meisterschaft im Nützen winzigster Chancen entwickelt, was mich bisher immer um ein Haar an der Katastrophe vorbeigeführt hatte. Ich konnte nur hoffen, daß sich daran auch in Zukunft nichts änderte.
»Tony«, sagte Mr. Silver. Seine Stimme vibrierte leise. Er wies nach vorn. »Das ist sie«, sagte er beinahe feierlich. »Die Höllenbucht!«
***
Raghoora, der Affenkaiser, war kein Wesen im herkömmlichen Sinn. Er war eine Figur, ein Götze, gehauen aus schwarzmagischem Gestein, beseelt von Höllenkräften, belebt von der Magie des abgrundtief Bösen. Er lebte, und zeigte doch kein Leben. Er verließ seinen Standort nicht, und befehligte doch seine Pavianhorden, die ihm blind gehorchten. Jeder Ungehorsam wurde grausam bestraft, das wußten die Pavian-Dämonen, und wenn sie auch nicht mit allen Entscheidungen ihres Herren einverstanden waren, so wagte doch keiner aufzumucken.
Riesig war er.
Ein steinerner Pavian, der im schwarzen Tempel hockte und von hier aus sein Reich regierte.
Obwohl er aus Stein war, konnte man das schwarze Leben spüren, das ihn durchpulste. Wenn er den Wunsch gehabt hätte, den schwarzen Tempel zu verlassen, hätten er dies jederzeit gekonnt.
Aber es gelüstete ihn nicht danach, hinauszugehen. Seine Untertanen versorgten ihn mit allem, was er haben wollte. Auch mit Menschen, die er während eines Blutrituals verschlang.
Starr saß Raghoora da.
Ein Pavian hatte ihm berichtet, daß Fremde in Protoc eingedrungen waren. Ein Silbermann und ein Mädchen.
Raghoora überlegte nun, was zu tun sei. Er konnte sich den Grund vorstellen, weshalb der Silbermann nach Protoc gekommen war. Die Vernichtung des Silberreiches war seine, Raghooras, Idee gewesen. Er hatte Asmodis so lange bearbeitet, bis dieser sich entschlossen hatte, die aufsässigen Geschöpfe der Silberwelt hinwegzufegen.
Einer aber hatte diesen Höllensturm überlebt.
Metal hieß er, wie der Affendämon berichtet hatte.
Metal würde versuchen, ihn zu vernichten, denn wenn er den Kaiser der Pavian-Dämonen erledigte, brach das Reich auseinander, und die Affen, in denen sich jetzt Raghooras Kraft befand, würden schwach werden.
Sicherheitshalber scharte Raghoora seine Getreuen um sich, damit sie ihn gegen Metal abschirmten. Er schickte Späher aus, die erkunden sollten, wo der Silbermann sich zur Zeit befand, und er sandte seinen Geist zu Asmodis, um sich dessen Hilfe zu sichern.
»Asmodis!« rief sein Geist. »Erhabener Herr aller schwarzen Welten!«
Der Höllenfürst empfing den Ruf und reagierte darauf. »Was willst du, Raghoora?«
»Ich habe ein Problem. Man trachtet mir nach dem Leben.«
»Einer deiner Untertanen? Hast du sie so schlecht in der Hand? Dann wird es wohl Zeit, daß jemand anders deinen Platz einnimmt.«
»Mein Volk habe ich gut im Griff. Niemand wagt es, sich offen gegen mich zu stellen.«
»Wer ist dann das Problem?« wollte der Höllenfürst wissen.
»Metal, ein Mann aus der Silberwelt. Sie hatten eine Rebellion gegen dich vorbereitet, wie ich dich wissen ließ, und du hast sie bestraft. Aber diesen einen Silberdämon mußt du übersehen haben. Nun ist er hier in Protoc und wird alles daransetzten, um mich zu vernichten.«
Asmodis lachte. »Und du hast Angst vor ihm? Vor einem einzigen Silberdämon?«
»Er ist bestimmt sehr gefährlich.«
»Aber er ist nur einer. Verjage ihn aus Protoc, oder laß ihn von deinen Horden töten.«
»Das geht nicht, er kann zu Silber erstarren. Du mußt mir helfen, großer Fürst der
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